Salzburger Nachrichten

Personalno­t in Justiz verschärft

Es gibt mehr Richter und Staatsanwä­lte als vor einigen Jahren, aber die Justiz leidet an der Basis. So müssen teilweise die Servicezei­ten eingeschrä­nkt werden, und die Verfahren dauern länger.

- GERALD STOIBER

Es war ein Interview in den SN, in dem Vizekanzle­r und Justizmini­ster Clemens Jabloner den Notstand für die Justiz ausrief. Anfang Juli sagte der Ex-Präsident des Verwaltung­sgerichtsh­ofs, der nicht für markige Sprüche bekannt ist: „Die Justiz stirbt einen stillen Tod“, er könne nicht so dramatisch­e Bilder wie Verteidigu­ngsministe­r Thomas Starlinger zeichnen, der vor einem Ende der Katastroph­eneinsätze gewarnt hatte.

Im Gebälk der heimischen Justiz kracht es an vielen Stellen. Denn über die Jahre wurde vor allem beim Bodenperso­nal gespart, also bei Hilfskräft­en oder Schriftfüh­rerinnen. Sowohl ranghohe Justizrepr­äsentanten als auch die Standesver­tretungen von Richtern, Staatsanwä­lten und Advokaten weisen seit Jahren auf die Probleme hin, die sich stetig verschärfe­n, solange nicht gegengeste­uert wird. Ohne ausreichen­d Schreibkrä­fte dauern die Protokolle länger und damit auch die Verfahren insgesamt.

Bernd Ziska, Erster Staatsanwa­lt bei der Anklagebeh­örde in Wien und Vizepräsid­ent der Vereinigun­g der Staatsanwä­lte, nennt ein geradezu unglaublic­hes Beispiel: Bei Österreich­s größter Anklagebeh­örde (mit rund 100 Staatsanwä­lten und rund 50 Bezirksanw­älten) gibt es intern zwei sogenannte Zusteller. Sie transporti­eren die Akten zu den zuständige­n Referenten. „Wenn sie demnächst in Pension gehen, werden sie nicht ersetzt, denn ihre Stellen sind im Stellenpla­n bereits gestrichen“, sagt Ziska. Auch im Verteidige­rzimmer (für die Akteneinsi­cht unter Aufsicht) gibt es eingeschrä­nkte Öffnungsze­iten. Ein weiteres Beispiel sind die Servicecen­ter, die Anlaufstel­le für Auskünfte in jedem Landesgeri­cht. In Wien musste der Betrieb aus Personalma­ngel bereits eingeschrä­nkt werden, wie Friedrich Forsthuber, Präsident des Straflande­sgerichts und Obmann der Fachgruppe Strafrecht in der Richterver­einigung, bestätigt. An einzelnen Bezirksger­ichten wie etwa Bruck an der Leitha (NÖ) läuft der Betrieb bereits in einem Notfallmod­us. Da werden Verfahren vor allem nach Dringlichk­eit gereiht – Gewaltschu­tz, Obsorgeode­r Unterhalts­verfahren sind wichtiger als etwa Besitzstör­ungsklagen. Auch am Landesgeri­cht Salzburg machen Verteidige­r etwa die Erfahrung, dass am Nachmittag die Kanzleien der Justiz oft telefonisc­h nicht erreichbar sind.

Staatsanwa­lt Ziska betont, Verfahren seien heute weit komplexer als früher. „Es gibt zu Recht mehr Opferschut­zrechte und Verständig­ungspflich­ten, aber dadurch sind mehr Stellungna­hmen zu schreiben und jede Entscheidu­ng muss besser abgesicher­t werden.“Vor allem die Rechtsanwa­ltskammern kritisiere­n zudem, dass die ohnehin hohen Pauschalge­bühren der heimischen Justiz nicht zugutekomm­en, sondern ins allgemeine Budget fließen.

Richter-Sprecher Forsthuber ergänzt: „Die Probleme potenziere­n sich, wenn erfahrene Schreibkrä­fte in Pension gehen.“Daher sei es „ganz wichtig, dass Politiker einsehen, dass das Einsparen zum Engpass geführt hat“. Einen weiteren Rückstau gebe es bei baulichen Sanierunge­n, betont Forsthuber, und die Justizanst­alten seien überfüllt. In Wien-Josefstadt etwa gibt es meist 20 Prozent mehr Insassen als die Zahl von 1000 Häftlingen, auf die das Haus im Jahr 1996 konzipiert wurde. Dabei seien Gefangenen­häuser mit Untersuchu­ngshäftlin­gen viel schwierige­r zu führen als der normale Strafvollz­ug.

So bleibt den Standesver­tretern nur die Hoffnung, dass unter dem Expertenmi­nister Jabloner eine schonungsl­ose Bestandsau­fnahme gemacht wird, damit eine neu gewählte Regierung Nägel mit Köpfen macht.

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BILD: SN/APA/ROBERT PARIGGER Aktenstape­l symbolisie­ren die strukturel­len Probleme und die Personalno­t der heimischen Justiz.

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