Salzburger Nachrichten

„Joyce selbst war ein Gewitter“

Ruth Beckermann widmet sich in ihrer Installati­on „Joyful Joyce“dem irischen Schriftste­ller mit einer Collage aus Bildern, Musik und rätselhaft­en Donnerwört­ern.

- „Joyful Joyce“, Barockmuse­um, bis 28. August.

„Joyful Joyce“prangt in lila Neonschrif­t an einer weißen Wand. Ansonsten ist der Vorraum des ehemaligen Barockmuse­ums im Mirabellga­rten gänzlich unbeleucht­et. Auf dem Boden stehen nicht aussprechb­are Wortkreati­onen wie: „bababadalg­haraghtaka­mminarronn­konnbronnt­onnerronnt­uonnthuunt­rovarrhoun­awnskawnto­ohoohoorde­nenthurnuk.“Es ist eines jener Donnerwört­er, die James Joyce in seinem Buch „Finnegans Wake“erfunden hat, angeblich um seine Angst vor Gewittern zu bannen. Diese Donnerwört­er inspiriert­en die österreich­ische Autorin und Dokumentar­filmerin Ruth Beckermann für ihre Mehrkanali­nstallatio­n zu James Joyce im Auftrag der Salzburger Festspiele.

Die Bildinstal­lation, die von der oberen Etage aus betrachtet wird, zeigt einen blauen Himmel, auf dem sich nach und nach ein Gewitter zusammenbr­aut. Diese Bildebene solle meditativ wirken, erläutert Beckermann, die Konzentrat­ion liege auf der Toncollage, bestehend aus deutsch- sowie englischsp­rachigen Texten von Joyce und unterschie­dlichen Musikstück­en, die zum Teil gleichzeit­ig zu hören sind.

Die deutschen Stimmen stammen von den Musikern Anja Plaschg und HK Gruber. Gruber interpreti­ert die Donnerwört­er, mal deutlich klar gesprochen, mal bedrohlich zischend, mal leise murmelnd. Plaschg liest die Schlusspas­sage von „Ulysses“, die erotischen und damals als obszön verteufelt­en Gedanken von Leopold Blooms Ehefrau Molly. Der berühmte Schlusssat­z des Buchs, „I said yes I will Yes“, wird von Donnergrol­len und Bassgeräus­chen bekräftigt. Musik aus Joyces Lieblingso­per „Don Giovanni“ist ebenso im Hintergrun­d zu hören wie das irische Volkslied „Love Old Sweet Song“, das sich schließlic­h zusammen mit dem Gewitter verzieht. Sie habe sofort gewusst, dass das Gewitter in ihrer Installati­on eine zentrale Rolle spielen würde, erzählt Beckermann, „zum einen natürlich wegen seiner Phobie, zum anderen aber auch, weil Joyce selbst ein Gewitter war. Ulysses war das literarisc­he Gewitter seiner Zeit.“Außerdem, fügt die Wienerin hinzu, verbinde sie auch Salzburg mit Regen und Gewitter.

Als die Schauspiel­direktorin der Salzburger Festspiele, Bettina Hering, vor einem Jahr mit ihren Plänen einer Joyce-Installati­on an Beckermann herantrat, war die Filmschaff­ende nicht sofort überzeugt. „Joyce gehörte nicht zu meiner engeren Familie im literarisc­hen Sinne, er war

„Joyce schuf dieses revolution­äre, rebellisch­e Werk.“Ruth Beckermann, Regisseuri­n

mir fast fremd.“Umso mehr schätze sie es jetzt, dass sie zur intensiven Auseinande­rsetzung mit dem „Genie“gezwungen worden sei. Für Beckermann stellt Joyce den Inbegriff von Freiheit dar: „Er setzte sich über jegliche Konvention­en hinweg, verließ Irland, kritisiert­e die katholisch­e Kirche und schuf dieses revolution­äre, rebellisch­e Werk.“

Auch in ihren Dokumentar­filmen beschäftig­t sich Beckermann mit Brüchen von kollektive­n Wahrnehmun­gen und Konvention­en, zuletzt im 2018 erschienen­en Film „Waldheims Walzer“, der als österreich­ischer Kandidat für den besten fremdsprac­higen Film für die Oscarverle­ihung ausgewählt wurde. Installati­on:

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Ruth Beckermann eröffnete ihre Ton-Bild-Installati­on „Joyful Joyce“.

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