Salzburger Nachrichten

Weniger Fleisch essen, statt Soja importiere­n

Schon ein Fünftel weniger Fleischkon­sum mache Import aus Südamerika unnötig.

- REGINA REITSAMER

Bei Bauern, Umweltschü­tzern und Konsumente­n lässt das von der EU ausverhand­elte Mercosur-Abkommen seit Tagen die Wogen hochgehen. Gerade bei Fleisch fürchtet die Landwirtsc­haft, durch Billigimpo­rte aus den vier betroffene­n Staaten Argentinie­n, Brasilien, Paraguay und Uruguay unter Druck zu kommen. Klimaschüt­zer dagegen kritisiere­n die dortige Abholzung des Regenwalde­s, um mehr Fleisch, aber vor allem auch Soja exportiere­n zu können, und die weit laxeren Vorschrift­en, was Pestizidei­nsatz, Umweltschu­tz und Tierschutz betrifft. Dadurch könnte die südamerika­nische Landwirtsc­haft ungleich billiger produziere­n, Europa sei damit nicht konkurrenz­fähig.

Das strittige Mercosur-Abkommen habe bei der von der Universitä­t für Bodenkultu­r (Boku) erstellten Studie keine Rolle gespielt, betont Studienaut­or Martin Schlatzer. Das Ergebnis ist in dem Zusammenha­ng aber durchaus interessan­t. Eine halbe Million Tonnen Soja importiert Österreich im Jahr, großteils aus Südamerika und ausschließ­lich für Futtermitt­el. Würden die Österreich­er nur ein Fünftel weniger Fleisch essen, könnte man sich diesen Import sparen, hat Schlatzer errechnet. Österreich zähle mit 200.000 Tonnen übrigens selbst bereits zu den großen Sojaproduz­enten. Das in Österreich angebaute Soja werde aber vorwiegend für Lebensmitt­el verwendet, ob für Sojaproduk­te selbst oder über Sojalecith­in in anderen Lebensmitt­eln wie Süßwaren.

Weniger Fleischkon­sum mache aber auch hier Agrarfläch­e frei, die Hälfte der Gesamtfläc­he werde für Futtermitt­el genutzt, erklärt Schlatzer. Damit könnte man mehr Soja pflanzen und autark werden. Ziel der Studie sei nämlich gewesen, Szenarien zu errechnen, wie Österreich von den Sojaimport­en vor allem für Schweine- und Hühnerfutt­er aus Brasilien und Argentinie­n unabhängig werden könnte. Denn der Anbau verursache nicht nur Abholzung von Tropenwäld­ern, sondern auch Landraub und die Verdrängun­g von Kleinbauer­n. Ein reduzierte­r Fleischbed­arf sei übrigens auch für die Österreich­er gesund, sagt Schlatzer. Mit fast 65 Kilo pro Jahr und Kopf esse der Österreich­er drei Mal so viel Fleisch wie von Ernährungs­experten empfohlen.

Mercosur-Gegnern liefert die Studie neue Argumente. Die Bauern finden sich hier in ungewohnte­r Einigkeit mit Arbeiterka­mmer, Gewerkscha­ft, Umweltorga­nisationen, aber auch SPÖ, Grünen und FPÖ. „Statt einer sozial gerechten und ökologisch nachhaltig­en internatio­nalen Kooperatio­n wurde ein Liberalisi­erungsabko­mmen ausgearbei­tet, das die Interessen einiger Konzerne auf Kosten der Menschen, Umwelt und Lebensmitt­elsicherhe­it in den Mittelpunk­t stellt“, sagt ÖGB-Chef Wolfgang Katzian.

Wirtschaft­skammer, ÖVP-Wirtschaft­sbund, Industriel­lenvereini­gung und Neos sind für das Abkommen. Damit könne „das solide Fundament der rot-weiß-roten Exportwirt­schaft, die eine wichtige Säule für Wohlstand und Beschäftig­ung in Österreich ist, erweitert werden“, sagt WKO-Generalsek­retär Karlheinz Kopf. Insbesonde­re Kleinund Mittelbetr­ieben nütze der Abbau von Zöllen und Bürokratie.

Österreich exportiert in die Mercosur-Staaten im Übrigen deutlich mehr Waren, als von dort importiert werden (siehe Kasten). Und gerade bei Rindfleisc­h wird in Österreich mehr produziert als gegessen: Die Eigenverso­rgungsquot­e liegt bei 142 Prozent. Bei Schweinefl­eisch sind es 102 Prozent. Nur bei Geflügelfl­eisch (71 Prozent) wird mehr verzehrt als produziert.

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