Weniger Fleisch essen, statt Soja importieren
Schon ein Fünftel weniger Fleischkonsum mache Import aus Südamerika unnötig.
Bei Bauern, Umweltschützern und Konsumenten lässt das von der EU ausverhandelte Mercosur-Abkommen seit Tagen die Wogen hochgehen. Gerade bei Fleisch fürchtet die Landwirtschaft, durch Billigimporte aus den vier betroffenen Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay unter Druck zu kommen. Klimaschützer dagegen kritisieren die dortige Abholzung des Regenwaldes, um mehr Fleisch, aber vor allem auch Soja exportieren zu können, und die weit laxeren Vorschriften, was Pestizideinsatz, Umweltschutz und Tierschutz betrifft. Dadurch könnte die südamerikanische Landwirtschaft ungleich billiger produzieren, Europa sei damit nicht konkurrenzfähig.
Das strittige Mercosur-Abkommen habe bei der von der Universität für Bodenkultur (Boku) erstellten Studie keine Rolle gespielt, betont Studienautor Martin Schlatzer. Das Ergebnis ist in dem Zusammenhang aber durchaus interessant. Eine halbe Million Tonnen Soja importiert Österreich im Jahr, großteils aus Südamerika und ausschließlich für Futtermittel. Würden die Österreicher nur ein Fünftel weniger Fleisch essen, könnte man sich diesen Import sparen, hat Schlatzer errechnet. Österreich zähle mit 200.000 Tonnen übrigens selbst bereits zu den großen Sojaproduzenten. Das in Österreich angebaute Soja werde aber vorwiegend für Lebensmittel verwendet, ob für Sojaprodukte selbst oder über Sojalecithin in anderen Lebensmitteln wie Süßwaren.
Weniger Fleischkonsum mache aber auch hier Agrarfläche frei, die Hälfte der Gesamtfläche werde für Futtermittel genutzt, erklärt Schlatzer. Damit könnte man mehr Soja pflanzen und autark werden. Ziel der Studie sei nämlich gewesen, Szenarien zu errechnen, wie Österreich von den Sojaimporten vor allem für Schweine- und Hühnerfutter aus Brasilien und Argentinien unabhängig werden könnte. Denn der Anbau verursache nicht nur Abholzung von Tropenwäldern, sondern auch Landraub und die Verdrängung von Kleinbauern. Ein reduzierter Fleischbedarf sei übrigens auch für die Österreicher gesund, sagt Schlatzer. Mit fast 65 Kilo pro Jahr und Kopf esse der Österreicher drei Mal so viel Fleisch wie von Ernährungsexperten empfohlen.
Mercosur-Gegnern liefert die Studie neue Argumente. Die Bauern finden sich hier in ungewohnter Einigkeit mit Arbeiterkammer, Gewerkschaft, Umweltorganisationen, aber auch SPÖ, Grünen und FPÖ. „Statt einer sozial gerechten und ökologisch nachhaltigen internationalen Kooperation wurde ein Liberalisierungsabkommen ausgearbeitet, das die Interessen einiger Konzerne auf Kosten der Menschen, Umwelt und Lebensmittelsicherheit in den Mittelpunkt stellt“, sagt ÖGB-Chef Wolfgang Katzian.
Wirtschaftskammer, ÖVP-Wirtschaftsbund, Industriellenvereinigung und Neos sind für das Abkommen. Damit könne „das solide Fundament der rot-weiß-roten Exportwirtschaft, die eine wichtige Säule für Wohlstand und Beschäftigung in Österreich ist, erweitert werden“, sagt WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf. Insbesondere Kleinund Mittelbetrieben nütze der Abbau von Zöllen und Bürokratie.
Österreich exportiert in die Mercosur-Staaten im Übrigen deutlich mehr Waren, als von dort importiert werden (siehe Kasten). Und gerade bei Rindfleisch wird in Österreich mehr produziert als gegessen: Die Eigenversorgungsquote liegt bei 142 Prozent. Bei Schweinefleisch sind es 102 Prozent. Nur bei Geflügelfleisch (71 Prozent) wird mehr verzehrt als produziert.