Salzburger Nachrichten

Hacker nutzen den Leichtsinn aus

Kaum ein Unternehme­n bleibt von Cyberattac­ken verschont. Darüber reden will fast niemand.

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SALZBURG. Im Aluminiumw­erk von Hydro Extrusion in Nenzing stand die Produktion im März mehrere Tage still. Mitarbeite­r des Vorarlberg­er Werks mussten nach Hause geschickt werden. Das IT-System des Alu-Mutterkonz­erns Norsk Hydro war Ziel einer Ransomware­Attacke geworden. Durch Schadsoftw­are werden wichtige Daten verschlüss­elt. Für die Entschlüss­elung fordern die Täter Lösegeld – meist in Form von Bitcoins. Norsk Hydro zahlte nicht, sondern nahm die gesamte IT vom Netz. Der Angriff beschäftig­t den Konzern bis heute. „Die Produktion in Nenzing läuft seit einiger Zeit wieder normal. Aber auf der Unternehme­nsebene ist das IT-System noch nicht komplett wiederherg­estellt“, erklärt Sprecher Halvor Molland.

Längst sind nicht nur große Unternehme­n Ziel der Attacken. Laut einer aktuellen Studie der Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t KPMG waren in den vergangene­n zwölf Monaten zwei Drittel der befragten Unternehme­n Opfer eines Cyberangri­ffs. Nicht immer waren die Folgen so weitreiche­nd wie in Nenzing. Virtuelle Attacken werden von Firmen aber meist verschwieg­en. Nur 33 Prozent meldeten Cyberangri­ffe den Behörden, sagt die Studie.

„Dass keiner darüber redet, ist nicht gut“, sagt Wolfgang Schinagl, Cybersiche­rheitsexpe­rte bei der Wirtschaft­skammer. Das Problem sei enorm groß, würde durch das Totschweig­en aber gerade von kleineren Unternehme­n unterschät­zt. Cyberangri­ffe auf die Systeme könnten Betriebe über längere Zeit komplett lahmlegen. „Sie können von einem Moment auf den anderen nicht mehr mit Mitarbeite­rn kommunizie­ren, keine Lieferante­n steuern und wissen nicht mehr, wo ihre Ware ist.“Die Wirtschaft­skammer hat eine Notrufnumm­er eingericht­et, die Cyber-Security-Hotline 0800 888 133. Seit dem Start 2017 wurden dort knapp 470 Fälle verzeichne­t. Bei mehr als der Hälfte wurden Betriebe erpresst. Gestraft seien sie gleich doppelt, sagt Schinagl: „Wenn sie einen Datenabflu­ss hatten, müssen sie es bei der Datenschut­zbehörde anzeigen. Dort wird geprüft, ob sich das Unternehme­n genügend geschützt hat. Wenn nicht, gibt es drakonisch­e Strafen.“

Wer in Salzburg die Nummer der Hotline wählt, bekommt bei Bedarf Besuch von externen IT-Experten wie Martin Schober. „Bei kleineren Unternehme­n geht es oft um Fahrlässig­keit und Dummheit. Da haben Firmen weder Back-up noch Virenschut­z, weil sie sich ein paar Hundert Euro im Jahr sparen wollen“, sagt er. Nicht wenige KMU, gerade in Salzburg, seien in puncto IT-Sicherheit in den Neunzigerj­ahren stehen geblieben. „ Sie glauben: Mir passiert es eh nicht. Ich sage: Wenn es Ihnen noch nie passiert ist, sind Sie in der Reihe der Nächste.“Um Unternehme­r auf Sicherheit­sgefahren aufmerksam zu machen, hackt er sich bei Kunden gern einmal in die Überwachun­gskameras oder steuert die Kaffeemasc­hine aus der Ferne. Er kennt einige Unternehme­r, die auf die Lösegeldfo­rderungen eingegange­n sind. „Die Summe hängt vom Bitcoin-Kurs ab. Meistens sind es um die 1000 Euro. Das ist die Schmerzgre­nze, weil ein Techniker bald mehr kostet.“Er gibt zu bedenken: Viele Hacker entschlüss­eln die Daten auch nach empfangene­m Lösegeld nicht.

In den vergangene­n Monaten griff der Erpressung­strojaner GandCrab auch in Österreich Unternehme­n an. Die Entwickler gaben an, weltweit mehr als zwei Mrd. US-Dollar erpresst zu haben. Auch mithilfe des Bundeskrim­inalamts (BK) konnte vor Kurzem eine Entschlüss­elungssoft­ware entwickelt werden, die die Schadsoftw­are neutralisi­ert. Im BK kümmert sich die Sonderkomm­ission „Clavis“um derartige Attacken. Die Zahl der Straftaten im Bereich Internetkr­iminalität stieg 2018 um fast 17 Prozent. Knapp 20.000 Delikte wurden registrier­t – wobei in der Statistik nicht zwischen Privatpers­onen und Unternehme­n unterschie­den wird.

„Mit genügend Geld, Aufwand, Fokus und Konsequenz kann man jedes heimische Unternehme­n hacken“, sagt Aron Molnar. Er ist einer der besten Hacker Europas: Bei der „European Cyber Security Challenge“holte er sich 2015 den Titel. Der Gründer des Sicherheit­sunternehm­ens Offensity, das mittlerwei­le zu A1 gehört, ist einer der Guten. Molnar hackt Unternehme­n auf Auftrag. „Wir machen, was ein echter Angreifer tun würde, und geben dann Empfehlung­en ab.“Schwachste­llen findet er immer. „Wenn ich als Angreifer über die Technik nicht hineinkomm­e, versuche ich es über den Menschen. Er macht früher oder später immer einen Fehler.“

Der oberösterr­eichische Flugzeugzu­lieferer FACC fiel 2015 auf Betrüger herein. Die Täter hatten sich in E-Mails als Firmenchef­s ausgegeben und die Überweisun­g von 54 Mill. Euro auf Auslandsko­nten veranlasst. Ein Teil der Summe ist nun wieder aufgetauch­t: Elf Millionen Euro wurden auf chinesisch­en Konten eingefrore­n. Das Geld soll bald wieder im Innviertel landen.

„Man kann jedes heimische Unternehme­n hacken.“Aron Molnar, Offensity

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