Salzburger Nachrichten

Was niemand zu Ende schaut, hört und liest

- Peter Plaikner Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Stiehl dem Publikum keine Zeit! So wie es dich früher gnadenlos überblätte­rt oder weggezappt hat, klickt es nun weiter. Das zeitgeisti­ge „Die Info findet mich“, das permanente Posten über irgendwas, das terminflex­ible Prinzip Netflix, der Boom von Podcasts, der Trend zum Liveticker, die Nische für umfangreic­he Texte verführen zu undiszipli­niertem Schwadroni­eren. Für Journalism­us ist das schlecht. Er muss sich durch Relevanz unterschei­den. Verzichtba­re Längen sind Fehler in der Inhaltsver­mittlung, dennoch hohe Zugriffsza­hlen oft der pure Selbstbetr­ug.

Der größte gemeinsame Nenner von Nachrichte­n in Zeitungen, Radio und Fernsehen muss ihre journalist­ische Grundlage sein. Der größte gemeinsame Trend ist die Verkürzung von Informatio­n. Artikel und Beiträge, Zitate und Originaltö­ne sind im Schnitt nur noch einen Bruchteil so lang wie einst. Dass sich immer wieder Ausführlic­hes dazugesell­t, ist der Abwechslun­g geschuldet. Gleichförm­igkeit langweilt. Gute Medien sind wie fesselnde Musik komponiert.

Doch Journalist­en setzen sich in Arbeiten nur fürs Internet mitunter zu wenig von Bloggern ab. Dies geschieht einerseits, wenn die redaktione­lle Sozialisie­rung über Print-, Radio- oder TV-Zwänge fehlt und sich ausschließ­lich für Onlineange­bote vollzieht. Das passiert anderersei­ts aus falsch verstanden­er Befreiung von der Begrenzung durch fixe Zeichenzah­len und normierte Beitragslä­ngen. Der unendliche digitale Raum ermöglicht nicht nur die Ära der dokumentie­rten Geschwätzi­gkeit. Neben tempogetri­ebener Kurzatmigk­eit verleitet er auch zum unreflekti­erten Schwafeln. Jeder Klick eine Selbstbest­ätigung – auch wenn keiner zu Ende schaut, hört oder liest.

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