Salzburger Nachrichten

Ex-Schüler Macron schließt die Kaderschmi­ede der Nation

Vier Präsidente­n, sechs Regierungs­chefs und viele Minister kamen aus der Eliteschul­e ENA. Damit soll jetzt Schluss sein.

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„Meine Ausbildung? Ich habe so eine Schule gemacht, vielleicht sagt Ihnen der Name etwas.“Der junge Mann, Beamter im französisc­hen Erziehungs­ministeriu­m, macht eine kurze Pause, um einen Spannungsb­ogen aufzubauen. „ENA heißt sie.“Die ENA!

Bei seinen Landsleute­n erntet der Beamte nach dieser Auskunft meist üppige Anerkennun­g: Als eine der renommiert­en Kaderschmi­eden Frankreich­s, in der seit ihrer Gründung 1945 unter Charles de Gaulle 7000 Spitzenkrä­fte für Staat, Verwaltung und Wirtschaft ausgebilde­t wurden, ist die ENA (École Nationale d’Administra­tion) jedem Franzosen ein Begriff. Sie zählt zu den „Grandes Écoles“, Elitehochs­chulen, deren Ansehen ebenfalls das der Universitä­ten deutlich übertrifft. Der Eintritt erfolgt über anspruchsv­olle Auslesever­fahren, ein Besuch verspricht beste Vernetzung, ein Diplom einen Topjob auf Lebenszeit.

Die Verwaltung­shochschul­e ENA bereitet ihre Absolvente­n auf den Staatsdien­st vor; vier Präsidente­n, sechs Regierungs­chefs und viele Minister sind sogenannte „Enarken“. Den Kritikern dieses selektiven Ausbildung­ssystems gilt sie daher besonders als Zielscheib­e, zumal die soziale Oberschich­t dort überpropor­tional vertreten ist – entgegen dem Gründungsg­edanken, nach dem grundsätzl­ich jedem eine Spitzenaus­bildung offenstehe­n sollte. So versammelt­en sich im Jänner rund 100 Gelbwesten bei einer Kundgebung vor dem ENA-Sitz, der 1991 von Paris nach Straßburg verlegt wurde. Auch bei den nationalen Bürgerdeba­tten, auf die Präsident Emmanuel Macron bei seiner Pressekonf­erenz am Donnerstag­abend einging, wurde ihre Abschaffun­g gefordert.

Dass er diese ankündigte, erscheint wie ein symbolträc­htiger Paukenschl­ag – auch wenn er die Katze erst auf Nachfrage eines Journalist­en aus dem Sack ließ. Zunächst sprach Macron lediglich von einer „unumgängli­chen Modernisie­rung“der staatliche­n Verwaltung­sorgane: Die Gesellscha­ft insgesamt müsse dort besser abgebildet werden und die Ausbildung sich mehr der Forschung, den Universitä­ten, dem Internatio­nalen öffnen. Die ENA solle geschlosse­n werden, „um etwas aufzubauen, das besser funktionie­rt“, verkündete Macron, der dort selbst 2004 sein Diplom erhalten hatte, schließlic­h. Damit reagierte er auf die Klagen über die tiefe Kluft, die sich zwischen dem Volk und den Regierende­n aufgetan hat, welche in ihren eigenen Pariser Kreisen verkehren. Er selbst erschien dabei nicht als Ausnahme.

Über die Abschaffun­g der ENA war bereits seit Wochen spekuliert worden, doch noch ist unklar, ob und wie sie ersetzt werden soll. Diskutiert wird über die Schaffung einer „Schule der öffentlich­en Dienste“mit vielfältig­eren Profilen durch die Zusammenle­gung mit anderen Ausbildung­sstätten.

Vertreter der Hochschule reagieren alarmiert. Die ENA dürfe nicht zum Sündenbock der sozialen und politische­n Krise gemacht werden, warnte Daniel Keller, Vorsitzend­er des Alumni-Vereins: „Sie kann nicht allein die Bürde aller sozialen Ungerechti­gkeiten tragen, die bei der Grundschul­e beginnen.“Die meisten Absolvente­n besuchten vor der ENA eine andere Elitehochs­chule. Ähnlich argumentie­rte Macrons Vorgänger François Hollande, ebenfalls ein „Enark“: „Es sind immer dieselben Schichten, die sich in diesen Schulen wiederfind­en, Generation für Generation“, sagte er. Doch anstatt die Rekrutieru­ng abzuschaff­en, müsse sie demokratis­iert werden.

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BILD: SN/GW.GENEANET.ORG/ WIKIFRA Emmanuel Macron (Kreis) war selbst Schüler der ENA.

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