Alles streamt: Heute Musik und Filme – morgen das Abendessen?
Kaum eine Branche ist so stark digitalisiert wie die Musikwirtschaft. Was dort abläuft, ist lehrreich für alle.
Die Laborratten der Wirtschaft sind heute die Musiker. Eine Gattung, auf die profitorientierte Menschen normalerweise wenig schauen, ist sie doch eher der göttlichen Kunst als dem profanen Geldverdienen zuzuordnen. Blickt man etwas tiefer, erweist sich das als Fehlannahme. Es geht auch dort ums Verdienen, aber um noch viel mehr: An Musikern kann man studieren, wie digitale Geschäftsmodelle aussehen. Das ist für viele Wirtschaftsbranchen, insbesondere in Gewerbe und Industrie, wie eine Zukunftsreise ins Jahr 2030. Dort haben die tektonischen Plattenbewegungen der Digitalisierung noch nicht einmal richtig begonnen.
In der Musikindustrie wird über Livestreaming – das Musikhören über Internetplattformen, ohne dass man selbst Kopien besitzt – mehr Geld gemacht als über andere Kanäle. Der Verkauf von CDs, Einnahmen aus Verwertungsrechten, Downloads der Konsumenten im Internet und Erlöse aus Vinylplatten können dem stark wachsenden Streaming auch in Österreich nicht mehr das Wasser reichen. Schon ein Drittel des Umsatzes von 153 Mill. Euro in Österreichs Musikmarkt entsteht via Musikhören direkt über Internetplattformen wie Spotify. Musik ist ein digitales Produkt geworden, schrankenlos transportier- und konsumierbar an jedem Ort der Welt. Die brutale Transformation der vergangenen zwei Jahrzehnte, die eine Halbierung der Umsätze im Vergleich zu 1997 brachte, hat eine Generation von Musikerinnen und Musikern hervorgebracht, die digitale Businessprofis sind. Bands und Einzelinterpreten lassen sich von großen Plattformen, die den Vertrieb beherrschen, nicht dirigieren.
Sie nutzen sie für sich selbst: Sie lesen Daten über ihre Kunden und bauen große Communitys in den sozialen Netzwerken, indem sie diese punktgenau mit Informationen und Bildern füttern. Damit sind erfolgreiche Musiker von heute Rollenmodelle für den breiten Mittelstand. Eine Band weiß bis ins Detail, was den Hörgeschmack der jeweiligen Zielgruppe trifft, und produziert ihre Hits punktgenau. Solche datengetriebenen Geschäftsmodelle wird man in allen Branchen brauchen. Was wird der Installateur oder Gastwirt in Zukunft tun? Datenanalyse vor der handwerklichen Tagesarbeit. Streamen wird für breite Teile der Bevölkerung wichtig. Werden bald das Abendessen und die neue Zahnbürste direkt in Küche und Bad gestreamt? Zukunftsmusik? Ja, aber auch wenn nicht alles virtuell wie Musik werden kann, ist der Bedarf da, Produkte ohne lange Planung abrufen zu können. Die Musikbranche zeigt vor, dass der Wandel bewältigbar ist – eine Nachricht, die Mut machen sollte.