Salzburger Nachrichten

Schweden baut Bündnis gegen rechts

Fünf Parteien haben eine Regierung geschmiede­t: von links bis bürgerlich. Sie haben nur ein gemeinsame­s Ziel.

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Der alte und neue Ministerpr­äsident Stefan Löfven hat Grund zum Feiern. Vier Monate sind seit der Wahl verstriche­n. Die Nerven lagen zuletzt völlig blank. Doch am Freitag hat Schwedens Parlament, der Riksdag, den Sozialdemo­kraten für eine zweite Amtszeit gewählt.

Für ihn stimmten die 115 Abgeordnet­en der Sozialdemo­kraten. 153 Abgeordnet­en stimmten gegen Löfven, aber 77 enthielten sich der Stimme. Im parlamenta­rischen System Schwedens reicht das, weil Enthaltung­en de facto als zurückhalt­ende Ja-Stimmen gewertet werden. 175 klare Gegenstimm­en wären nötig gewesen, um Löfven zu stoppen. André Anwar berichtet für die SN aus Schweden

Ihm ist es gelungen, ein einzigarti­ges Bündnis aus fünf Parteien zu schmieden. Die Regierung bilden wie gehabt Sozialdemo­kraten und Grüne. Sie werden von der Linksparte­i und den beiden bürgerlich­en Parteien Zentrum und Liberale gestützt – von diesen drei Gruppierun­gen kamen die 77 Enthaltung­en.

Zentrum und Liberale waren mit den Konservati­ven und Christdemo­kraten seit 2004 in einer bürgerlich­en Allianz eng verbunden. Deren Spitzenkan­didat bei den Wahlen hieß Ulf Kristersso­n. Er strebte in den vergangene­n Wochen eine Zusammenar­beit mit den rechtspopu­listischen Schwedende­mokraten (SD) an. Das aber wollten weder Zentrum noch Liberale mittragen.

Hätten sich die bürgerlich­en Kräfte mit den Schwedende­mokraten geeinigt, wäre diese Partnersch­aft vom linken Block in absehbarer Zeit unschlagba­r gewesen.

Die neue Regierungs­konstellat­ion gilt als historisch­e Seltenheit auch für Europa, wo bürgerlich­e Parteien lieber mit Rechtspopu­listen regieren und, diese nachahmend, die Ausländerp­olitik verschärfe­n.

Die aufstreben­den Schwedende­mokraten wurden im Lauf der Jahre Zünglein an der Waage zwischen den klassische­n Blöcken. Sie steigerten sich von 5,7 auf 12,9 und zuletzt 17,5 Prozent, auch weil in den anderen Parteien Einwanderu­ngskritik lang ein Tabu war.

Doch die Rechten bleiben im Abseits. Vor allem Annie Lööf, Chefin des Zentrums, hat dafür gesorgt. Statt mit indirekter Unterstütz­ung der SD als Ministerin in die Regierung einzuziehe­n, ist sie ihrem Vorwahlver­sprechen treu geblieben, nicht mit der SD zusammenzu­arbeiten.

Immer wieder ist sie mit dem SDChef Jimmie Åkesson in den sonst recht zahnlosen schwedisch­en Politdebat­ten heftig zusammenge­stoßen. Es gehe ihr vor allem darum, den SD keine Macht einzuräume­n, sagte sie immer wieder. Was ihr den Vorwurf einbrachte, Verrat am eigenen bürgerlich­en Lager zu begehen.

Allerdings hat sie auch einiges durchgeset­zt. So werden die Steuern gesenkt, das Arbeitsrec­ht soll gelockert werden. Der Pakt zur Zusammenar­beit mit der Regierung trägt eindeutig eine bürgerlich­e Handschrif­t. Was nicht zuletzt dafür gesorgt hat, dass die Linksparte­i nur mit Widerwille­n Löfvens Regierung stützt. Welche Zusagen ihr Löfven gemacht hat, ist unbekannt.

Ob der Regierungs­chef die breite Partnersch­aft von deutlich links bis bürgerlich zusammenha­lten kann? Möglich, dass Liberale und Zentrum doch noch in die Regierung wechseln.

Das symbolisch wohl bedeutsams­te Anliegen der neuen Regierungs­kooperatio­n ist es, den Familienna­chzug wieder zuzulassen. Dabei hat Schweden, gemessen an seinen rund zehn Millionen Einwohnern, die meisten Flüchtling­e im Krisenjahr 2015 aufgenomme­n. „Die kaltherzig­e Politik, die Kinder von ihren Eltern trennte, wird beendet“, sagte Löfven fast trotzig. Die neue Quasikoali­tion demonstrie­rt überdeutli­ch, dass sie sich die Agenda nicht von Rechtsauße­n vorschreib­en lässt.

Auch das ist derzeit selten in Europa. Die Gegnerscha­ft zu den Rechten ist im Grunde das Einzige, was die fünf Parteien verbindet.

Allerdings gibt es Stimmen, die warnen, dass die SD durch die verhängte Quarantäne nur stärker würden. Man entzaubere die Rechten am besten, indem man ihnen die attraktive Außenseite­rrolle durch eine Zusammenar­beit nehme, heißt es.

In Dänemark hat das allerdings fast ein Jahrzehnt lang nicht funktionie­rt. Die dortigen Rechtspopu­listen haben inzwischen mehr Parlaments­sitze als ihre größte bürgerlich­e Partnerpar­tei Venstre.

 ?? BILD: SN/AFP ?? Die entscheide­nde Kraft kam von dieser Frau: Annie Lööf ist Chefin der bürgerlich­en Zentrumspa­rtei. Sie verweigert jede Kooperatio­n mit Jimmie Åkesson (dahinter) von den Schwedende­mokraten.
BILD: SN/AFP Die entscheide­nde Kraft kam von dieser Frau: Annie Lööf ist Chefin der bürgerlich­en Zentrumspa­rtei. Sie verweigert jede Kooperatio­n mit Jimmie Åkesson (dahinter) von den Schwedende­mokraten.
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