Ist Rumänien fit für den EU-Vorsitz?
Am 1. Jänner übernimmt Rumänien von Österreich die Präsidentschaft im Europäischen Rat. Das eigene Staatsoberhaupt hält die Regierung dafür nicht in der Lage.
„Wir sind bereit, die EU-Präsidentschaft zu Beginn des Jahres zu übernehmen.“Das sagte Luminita Odobescu, die EU-Botschafterin Rumäniens am Dienstag in Brüssel. Ausgerechnet ihr Staatspräsident ist da ganz anderer Ansicht: „Ich bin der Meinung, dass wir dafür nicht vorbereitet sind.“Das hatte Klaus Johannis vor rund sechs Wochen zu Protokoll gegeben. Unmittelbarer Anlass war damals der Rücktritt des Europaministers. Johannis hat seine Kritik an der sozialliberalen Koalition in Bukarest seither noch wiederholt.
Finnland, das in der zweiten Jahreshälfte 2019 mit der Ratspräsidentschaft an der Reihe ist, hat Rumänien sogar angeboten, den Vorsitz zu tauschen. So hätte Rumänien ein halbes Jahr länger Zeit, sich vorzubereiten, hieß es aus Helsinki. Die rumänische Regierung hat abgelehnt.
Der wahre Grund, warum viele nicht nur in Brüssel die rumänische Präsidentschaft kritisch sehen, ist die umstrittene Justizreform im Land. Sie könnte der Korruption, der alten Geißel des Landes, wieder Tür und Tor öffnen. Rumäniens Regierung aus Postsozialisten (PSD) und Liberalen hat nicht nur die Leiterin der unabhängigen Korruptionsbekämpfungsbehörde abgesetzt. Sie hat auch Gesetze auf den Weg gebracht, die Korruption und Amtsmissbrauch in vielen Fällen straffrei stellen würden.
Gelegen kommt das allen, die in Korruptionsverfahren verwickelt sind – wie zum Beispiel dem Parteichef der regierenden PSD. Liviu Dragnea ist der wahre starke Mann in Rumänien, aber nicht Regierungschef. Er konnte nach dem Wahlsieg seiner Partei 2016 das Amt nicht antreten, weil er wegen Amtsmissbrauchs vorbestraft ist. Außerdem ist er weiter in Korruptionsverfahren verwickelt. Die Führung der Regierung überlässt er daher Viorica Dăncilă, einer loyalen Parteigängerin und ehemaligen EUAbgeordneten.
Gegen die Justizreformen des Duos Dragnea/Dăncilă haben wiederholt Massendemonstrationen stattgefunden. Staatspräsident Johannis, seit 2014 im Amt, tritt den Plänen der Regierung ebenfalls entgegen. Im Herbst musste er, der zur deutschstämmigen Minderheit gehört, sich von einem Vertrauten der Regierungschefin mit Hitler vergleichen lassen.
In Brüssel geht die Sorge um, dass Rumänien nach Ungarn und Polen das nächste Land sein könnte, in dem der Rechtsstaat Stück um Stück ausgehöhlt wird. Dabei war Rumänien unter den ehemaligen Ostblockländern zehn Jahre lang beispielgebend im Kampf gegen die Korruption.
Das Land war 2007 der EU beigetreten. Seit damals bewertet die EUKommission regelmäßig die Fortschritte im Justizbereich. Viele Jahre fielen die Berichte positiv aus. Rumänien baute effiziente Strafverfolgungsbehörden auf, die hart durchgriffen.
Das hat sich drastisch geändert. Im November hat die Kommission ihren jüngsten Bericht veröffentlicht. Darin heißt es: „Der Druck auf die unabhängige Justiz im Allgemeinen und insbesondere auf die Nationale Direktion für Korruptionsbekämpfung sowie weitere Schritte, die der Korruptionsbekämpfung zuwiderlaufen, haben die Fortschritte rückgängig gemacht oder infrage gestellt.“Insbesondere Vize-Kommissionschef Frans Timmermans mahnte von Rumänien immer wieder Rechtsstaatlichkeit ein.
„Wir werden kritisiert, ohne es zu verdienen, wir werden bestraft, nur weil wir ein osteuropäisches Land sind“, so verteidigte sich Regierungschefin Dăncilă unlängst. Und PSD-Chef Dragnea meinte, andere Länder seien „noch viel korrupter“, würden aber nicht an den Pranger gestellt. Die EU-Kommission wies die Vorwürfe zurück. Kommissionschef Jean-Claude Juncker erklärte, er halte Rumänien für gut vorbereitet.
Die Präsidentschaft fällt in eine heikle Phase: Die Briten treten aus der Europäischen Union aus, im Mai finden die EU-Wahlen statt, das EU-Budget muss verhandelt werden. Das würde die Ratspräsidentschaft für jedes Land zur Herausforderung machen.