Vom Generalneid auf das Einkommen der anderen
Vielleicht hätte Friedrich Merz nicht sein Einkommen bekannt geben sollen, sondern seine Steuerund Abgabenleistung.
In Deutschland ist dieser Tage eine Debatte darüber ausgebrochen, wie viel einer verdienen soll oder darf, der seine gut bezahlte Tätigkeit als Anwalt und Aufsichtsrat mit der Position eines Politikers tauschen will. Der Konservative Friedrich Merz will die Führung der CDU übernehmen. Wir wissen, die Partei ist in erheblichen Schwierigkeiten, gefesselt in einer Koalition mit der aufmüpfigen, eigensinnigen bayerischen CSU und einer SPD mit mageren Zukunftsaussichten. Merz will die Langzeitparteichefin Angela Merkel beerben, die erst vor Kurzem eingesehen hat, dass sie nicht mehr gut genug ist, um ihre Partei zu führen (fürs Kanzleramt reicht es sichtlich noch).
Nun hat Merz auf drängende Fragen von Lesern der „Bild“-Zeitung offenbart, er verdiene rund eine Million Euro im Jahr, brutto. Dies ist für so manchen Anlass, belehrend den Zeigefinger zu heben und zu warnen. Leuten, die so viel Geld verdienten, sei alles zuzutrauen, nur nichts Gutes. Aus der Frage, wer wohl der richtige Kandidat für die CDU-Parteiführung wäre, würde schnell die Frage, ob so reiche Leute tatsächlich geeignet seien, politische Verantwortung zu übernehmen.
Man muss kein Konservativer sein, um sich ob dieser Neiddebatte zu wundern. Warum macht man jemandem zum Vorwurf, dass er gut verdient? Sollte man nicht eher froh sein, dass Menschen, die es in der Wirtschaft zu etwas gebracht haben, ihre Fähigkeiten der Politik und damit dem Gemeinwesen zur Verfügung stellen wollen? Sollte Merz es tatsächlich an die CDU-Spitze schaffen und sollte er in der Folge auch noch Bundeskanzler werden, was er ja sicher will, dann könnte er mit einem Jahreseinkommen von 300.000 Euro rechnen, brutto. So viel verdient derzeit die deutsche Kanzlerin.
Der Mann würde also auf mehr als zwei Drittel seines Einkommens verzichten, bei wesentlich mehr fremdbestimmter Arbeit, mehr Stress und auch weniger Lebensqualität. Es gehört schon ziemlich viel unverfrorener Neid dazu, daraus Vorwürfe und Verdächtigungen abzuleiten. Es zeugt von einem eigenartigen Verständnis von Politik, zu glauben, dass in der Politik keinen Platz finden dürfe, wer in der Wirtschaft Karriere und Kohle gemacht hat. Da sind viele Deutsche ebenso wie viele Österreicher in einer seltsamen Haltung verhaftet, einem Generalneid auf jeden Erfolgreichen, der viel Geld verdient. In vielen anderen Ländern gilt es als völlig normal, dass Menschen zwischen Politik und Wirtschaft pendeln – und beide Bereiche profitieren davon.
Friedrich Merz hat einen Fehler gemacht. Er hätte statt seines Bruttoeinkommens seine jährliche Steuer- und Abgabenleistung publizieren sollen. Vielleicht hätte das so manchen Neider verstummen lassen.