Bevor die Heimat untergeht
Das Filmfestival Radstadt hält Europa den Spiegel vor – mit Heimatfilmen der anderen Art. Was Menschen mit zivilem Widerstand erreichen können.
Es ist schon das 17. Filmfestival in Radstadt. Dennoch konnte das KulturkreisTeam um Geschäftsführerin Elisabeth Schneider wieder etwas ganz Besonderes auf die Beine stellen. Von 7. bis 11. November dreht sich alles um Heimatfilme.
Es ist ein sehr politisches und mutiges Programm mit 27 Filmen, davon elf Salzburg- und drei Österreich-Premieren. Dazu kommen Kurzfilme („Klappe auf!“). Filmschaffende diskutieren, wie jedes Jahr, mit dem Publikum.
Heimat, das sei „mehr als der Ort, an dem wir geboren wurden, an dem wir aufwachsen, leben und uns zu Hause fühlen“, sagt Elisabeth Schneider. Heimat sei auch Europa. Für sozialen Frieden und Gerechtigkeit einzutreten erfordere Zivilcourage und Risiko. „Wir wollen den Heimatbegriff nicht jenen überlassen, die die Ausgrenzung der ,anderen‘ und Heimattümelei für Liebe zur Heimat halten.“
In den Filmen „Willkommen in der Schweiz“, „Das Wunder von Mals“, „Wackersdorf“, „Das versunkene Dorf“und „Waldheims Walzer“zeigen die Filmemacher, was die Menschen vor Ort mit zivilem Widerstand bewirken können. Das diesjährige Programm sei ein Spiegel Europas – von seiner Mitte bis an den Rand.
Im Wunder von Mals leiste die kleine Südtiroler Gemeinde im Vinschgau entschieden Wider- stand gegen die Agrar- und Pharmaindustrie und die Landespolitik. Das Ziel: Mals solle die erste pestizidfreie Gemeinde Europas werden. 76 Prozent der Bevölkerung stimmten für das Verbot und damit für eine ökologische Landwirtschaft. Regisseur Alexander Schiebel, gebürtiger Salzburger, begleitete den Widerstand seit dem Jahr 2014.
Ob in diesem Beispiel oder in der Anti-Atom-Bewegung von Wackersdorf, „sehr oft sind es Frauen, Mütter und Großmütter, die sich engagieren, sich Gedanken machen, welche Heimat wir den nächsten Generationen hinterlassen“, sagt die Radstädter Kulturmanagerin. „Es geht uns um einen vielschichtigen Blick auf die Heimat, um Solidarität und Frieden, die in Gefahr sind.“
Eröffnet wird das Filmfestival im Kino am Turm am Mittwochabend mit der aktuell sehr erfolgreichen österreichischen Produktion „Der Trafikant“. Die Literaturverfilmung nach dem Roman von Robert Seethaler spielt in Wien und am Attersee vor der Machtergreifung und unter der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten. Sie zeigt den raschen Umbruch und den Riss in der Gesellschaft. Der junge Hauptdarsteller Simon Morzé wird mit Produzent Jakob Pochlatko nach Radstadt kommen. Den Schmerz über den Verlust der Heimat thematisiert der Film „Das versunkene Dorf“beson-
„Ob Mals oder Wackersdorf – es geht um zivilen Widerstand.“
ders eindrucksvoll. Das Bild von dem wie ein Mahnmal aus dem Reschen-Stausee in Südtirol ragenden Kirchturm von Graun kennt jeder, aber die Geschichte dahinter erzählen nur mehr wenige Zeitzeugen: das dramatische Schicksal eines Dorfes. Ohnmächtig mussten die Bewohner 1950 mit ansehen, wie ihre Häuser gesprengt wurden und alle Äcker, Wiesen und Felder im Wasser versanken.
Informationen über die Filme unter: