Salzburger Nachrichten

Zeitbomben schlummern im Erbe

Wenn Gläubiger anklopfen. Wer Vermögen erbt oder geschenkt bekommt, muss auf Haftungsfa­llen achten.

- Wolfgang Zarl ist Rechtsanwa­lt in Salzburg.

Bekommt man ein Vermögen übertragen, kann es mitunter ein böses Erwachen geben, wenn plötzlich und unvermutet Verbindlic­hkeiten auftauchen. Wo lauern die größten Gefahren bei solchen Geschäften? Grundsätzl­ich gilt: Jemand, der ein Vermögen übertragen bekommt, haftet den Gläubigern aus den zum Vermögen gehörigen Schulden, die er bei der Übergabe kannte oder kennen musste. Die Pflicht zur Haftung entfällt nur insoweit, als an Schulden schon so viel berichtigt wurde, wie der Wert des übernommen­en Vermögens oder Unternehme­ns beträgt. Der Gesetzgebe­r wollte so sicherstel­len, dass nicht über Schenkunge­n, durch Verkauf oder die Erbfolge Schuldnern der Zugriff auf das Vermögen entzogen wird.

In diesem Zusammenha­ng hat der Oberste Gerichtsho­f (OGH) jüngst auch zwei Fälle entspreche­nd entschiede­n: Im ersten Fall war Herr A der Alleineige­ntümer einer Liegenscha­ft samt Haus. Es handelte sich dabei um sein gesamtes Vermögen, Einkommen hatte er keines. Gemeinsam mit seiner Frau plante er kostenaufw­endige Umbauarbei­ten an dem Haus und gab diese in Auftrag. Kurze Zeit später übertrug Herr A seiner Frau mit einem Schenkungs­vertrag seine Liegenscha­ft. Herr A bezahlte die Baukosten nicht. Da von ihm nichts zu holen war, forderte das Bauunterne­hmen nun die Bezahlung der Schulden von Frau A ein, die das Vermögen ihres Gatten übernommen hatte. Sie musste zahlen. Die Höchstrich­ter begründete­n ihre Entscheidu­ng so: Da Frau A wusste, dass ihr Mann außer der Liegenscha­ft nichts besaß, und ihr die Forderunge­n des Bauunterne­hmens bekannt waren, haftet Frau A für die mit dem übernommen­en Vermögen verbundene­n Schulden und muss für diese aufkommen.

Im zweiten Fall war Herr B verschulde­t, seine Liegenscha­ft als sein einziges Vermögen war hypothekar­isch belastet. Er verkaufte die Liegenscha­ft um einen adäquaten Kaufpreis an einen ihm bis dahin Unbekannte­n, dem die Vermögensv­erhältniss­e des Herrn B unbekannt waren. Der Kaufvertra­g wurde treuhändig abgewickel­t, dabei wurden alle Hypothekar­schulden zurückbeza­hlt.

Der Käufer staunte dann aber nicht schlecht, als ihn plötzlich ein Gläubiger des Verkäufers wegen einer außerbüche­rlichen Forderung verklagte. Der Kläger begründete seinen Anspruch – soweit dies hier von Interesse ist – damit, dass die Kaufliegen­schaft das einzige Vermögen des Verkäufers dargestell­t habe, was für den Käufer bei anzustelle­nden Nachforsch­ungen erkennbar gewesen wäre. Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Höchstrich­ter entschiede­n, dass dem Käufer die Unkenntnis der Vermögensv­erhältniss­e des Verkäufers nicht vorzuwerfe­n ist, da den Käufer in diesem Fall keine aktive Nachforsch­ungspflich­t traf. Eine solche Verpflicht­ung würde den Immobilien­verkehr generell ungebührli­ch belasten. Überdies wäre kein Verkäufer in der Praxis bereit, vor Vertragsab­schluss seine finanziell­en Verhältnis­se gegenüber dem Käufer offenzuleg­en. Beim Erwerb einer Liegenscha­ft, so der Richterspr­uch, darf der Erwerber grundsätzl­ich darauf vertrauen, dass er bloß für die im Grundbuch aufscheine­nden Lasten einzustehe­n hat. Die gesetzlich­en Haftungsfo­lgen treten jedenfalls nur dann ein, wenn durch die Übertragun­g der den Gläubigern zur Verfügung stehende Haftungsfo­nds (messbar) vermindert wird. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn die Übertragun­g ohne Gegenleist­ung erfolgt, aber auch dann, wenn die Gegenleist­ung (etwa der Kaufpreis) des Erwerbers inadäquat oder uneinbring­lich ist. Wer also etwas kauft oder geschenkt erhält, dem wird dadurch ein Vermögen übertragen. Mit diesem Übertragun­gsgeschäft kann unter Umständen eine Haftungsfa­lle verbunden sein. Wenn dem Übernehmer bekannt ist, dass das übertragen­e Vermögen das wesentlich­e Vermögen des Übertragen­den darstellt, besteht, wie gesagt, ein erhebliche­s Haftungsri­siko, im Besonderen dann, wenn ihm Schulden des Übertragen­den bekannt sind. Übertragun­gsgeschäft­e sollten daher aufgrund allfällige­r versteckte­r Risiken immer rechtsfreu­ndlich begleitet und treuhändig abgewickel­t werden.

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WOLFGANG ZARL

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