Die Wirtschaft braucht Fachkräfte aus dem Ausland
Heimische Betriebe suchen dringend Fachkräfte – auch aus dem Ausland. Dass die Regierung den UNO-Migrationspakt nicht unterzeichnet und Österreich nicht als Einwanderungsland sieht, sei ein falsches Signal.
„Viele Jobs hätte niemand gemacht.“Helmut Hofer, Wirtschaftsforscher
WIEN. Der zunehmende Fachkräftemangel sorgt seit Monaten für Diskussionen. 162.000 qualifizierte Mitarbeiter würden den heimischen Betrieben schon derzeit fehlen, rechnete die Wirtschaftskammer im September vor. Industriebetriebe müssten daher ihre Kunden mit langen Wartezeiten vertrösten, Hoteliers ihr Angebot reduzieren, weil etwa Köche fehlen. Auf neue Mitarbeiter hofft die Wirtschaft dabei auch aus dem Ausland.
Dass Österreich jetzt den Migrationspakt der UNO nicht unterzeichnet, hält Wirtschaftsforscher Helmut Hofer vom IHS „wirtschaftspolitisch für ein falsches Signal“. Auch wenn der Schritt nicht überraschend käme, wie Hofer betont. „Es bestätigt nur die bisherige Grundeinstellung der Regierung.“Der Aussage von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), dass Österreich kein Einwanderungsland sei, widerspricht Hofer allerdings. Gerade aus Osteuropa habe es am Arbeitsmarkt eine starke Zuwanderung gegeben. „Und abgesehen von wenigen Problemen war das eine sehr positive Entwicklung. Nur so konnten viele Stellen besetzt werden, für die man sonst niemanden gefunden hätte.“Interessant sei, dass die Regierung stets bemängle, dass zu wenig zwischen Migration und Flüchtlingen unterschieden werde, sagt Hofer. „Im UNO-Pakt geht es nur um Migration, das Thema Flüchtlinge soll gesondert behandelt werden. Dennoch lehnt man das ab.“Auch die Migrationsdebatte habe eben zwei Seiten: Hochqualifizierte Migranten wolle jedes Land, unqualifizierte niemand. Dass der Entschluss der Regierung Auswirkungen auf den Standort Österreich haben wird, glaubt Hofer dennoch nicht. „Zynisch gesagt, auch die USA lehnen den Migrationspakt ab, und ziehen dennoch nach wie vor gut ausgebil- dete Fachkräfte an.“Die Ablehnung des Migrationspakts sei ein rein politisches Signal, „und das wohl mit innenpolitischer Ausrichtung“.
Ähnlich sieht das Martin Stanits von der Hoteliervereinigung (ÖHV). In einer Branche, in der die Hälfte der Mitarbeiter aus dem Ausland kommt und dringend Mitarbeiter gesucht werden, sei nicht jeder glücklich über das Signal, dass sich Österreich nicht als Einwanderungsland verstehe. In der Praxis kämpfe der Tourismus aber mit anderen Problemen, betont Stanits, etwa dass das Kontingent für ausländische Mitarbeiter nicht erhöht werde, obwohl die Zahl der Nächtigungen weiter steige. „Den Hilfskoch aus Serbien oder den Kellner aus Kroatien interessiert der UNOMigrationspakt da eher wenig.“
„Für uns als Tourismus ist wichtig, dass qualifizierte Zuwanderung weiter möglich ist“, sagt auch Petra Nocker-Schwarzenbacher, Obfrau der Sparte Tourismus in der Wirtschaftskammer. Allein in den vergangenen zehn Jahren sei die Zahl der Arbeitskräfte im heimischen Tourismus um 25 Prozent gestiegen. „Das können wir im Inland längst nicht mehr abdecken und auch im EU-Ausland immer schwerer.“Eine ordentliche Regelung zu schaffen, die kontrollierte Zuwanderung ermögliche, sei höchst an der Zeit. „Klar ist: Wir brauchen kontrollierte Zuwanderung, wie die zu schaffen ist, ist Sache der Politik.“Starke Hoffnung setzte man dabei auf die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte. Die soll etwa ermöglichen, dass Fachkräfte ins Land dürfen, wenn ein Beruf wie etwa Koch in einem Bundesland als Mangelberuf gilt, und nicht nur, wenn das österreichweit der Fall ist. „Hier brauchen wir dringend Ergebnisse“, sagt NockerSchwarzenbacher. Vorerst verhandeln die Regierungsparteien noch.
Positive Nachrichten gab es am Freitag vom Arbeitsmarkt: Österreichweit waren im Oktober 365.553 Personen auf Jobsuche. Das ist im Jahresvergleich ein Rückgang um sieben Prozent. Gleichzeitig legte die Zahl der Beschäftigten um 2,1 Prozent auf 3.766.000 Personen zu. Stark rückläufig waren die Zahlen bei Langzeitarbeitslosen (minus 16,3 Prozent) und Jugendlichen (minus 9,7 Prozent). Probleme gibt es dagegen weiterhin bei älteren Arbeitslosen, hier lag der Rückgang der Arbeitslosigkeit lediglich bei minus 2,8 Prozent, auch bei gesundheitlich Beeinträchtigten gab es nur ein Minus von 2,3 Prozent, bei Ausländern gar nur ein Minus von 0,8 Prozent. Dass es trotz stark rückläufiger Arbeitslosigkeit bei Ausländern eine Stagnation gibt, erklärt AMS-Vorstand Herbert Buchinger damit, dass nun die Asylverfahren nach dem großen Andrang der vergangenen Jahre abgeschlossen seien und damit eben mehr Ausländer auf den Arbeitsmarkt kämen.
Die Lehrstellenlücke lag im Vormonat bei 274 Lehrstellen, das ist ein Rückgang von 1091 Stellen. In Oberösterreich und Tirol stehen jedem sofort verfügbaren Lehrstellensuchenden rund drei sofort verfügbare Lehrstellen gegenüber. In Wien hingegen stehen einer offenen Lehrstelle sieben Lehrstellensuchende gegenüber. Während in den Bundesländern die Zahl der Jugendlichen rückläufig sei, steige sie in Wien, erklärte dazu Buchinger. Dazu komme, dass der produzierende Sektor als wichtigster Lehrlingsausbilder seit geraumer Zeit aus Wien ins Umland abwandere.
Auffällig bei den jüngsten Zahlen ist der große Geschlechterunterschied: Bei Männern sank die Arbeitslosigkeit um 8,5 Prozent, bei Frauen nur um 3,5 Prozent.