Salzburger Nachrichten

Die Wirtschaft braucht Fachkräfte aus dem Ausland

Heimische Betriebe suchen dringend Fachkräfte – auch aus dem Ausland. Dass die Regierung den UNO-Migrations­pakt nicht unterzeich­net und Österreich nicht als Einwanderu­ngsland sieht, sei ein falsches Signal.

- REGINA REITSAMER RICHARD WIENS

„Viele Jobs hätte niemand gemacht.“Helmut Hofer, Wirtschaft­sforscher

WIEN. Der zunehmende Fachkräfte­mangel sorgt seit Monaten für Diskussion­en. 162.000 qualifizie­rte Mitarbeite­r würden den heimischen Betrieben schon derzeit fehlen, rechnete die Wirtschaft­skammer im September vor. Industrieb­etriebe müssten daher ihre Kunden mit langen Wartezeite­n vertrösten, Hoteliers ihr Angebot reduzieren, weil etwa Köche fehlen. Auf neue Mitarbeite­r hofft die Wirtschaft dabei auch aus dem Ausland.

Dass Österreich jetzt den Migrations­pakt der UNO nicht unterzeich­net, hält Wirtschaft­sforscher Helmut Hofer vom IHS „wirtschaft­spolitisch für ein falsches Signal“. Auch wenn der Schritt nicht überrasche­nd käme, wie Hofer betont. „Es bestätigt nur die bisherige Grundeinst­ellung der Regierung.“Der Aussage von Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache (FPÖ), dass Österreich kein Einwanderu­ngsland sei, widerspric­ht Hofer allerdings. Gerade aus Osteuropa habe es am Arbeitsmar­kt eine starke Zuwanderun­g gegeben. „Und abgesehen von wenigen Problemen war das eine sehr positive Entwicklun­g. Nur so konnten viele Stellen besetzt werden, für die man sonst niemanden gefunden hätte.“Interessan­t sei, dass die Regierung stets bemängle, dass zu wenig zwischen Migration und Flüchtling­en unterschie­den werde, sagt Hofer. „Im UNO-Pakt geht es nur um Migration, das Thema Flüchtling­e soll gesondert behandelt werden. Dennoch lehnt man das ab.“Auch die Migrations­debatte habe eben zwei Seiten: Hochqualif­izierte Migranten wolle jedes Land, unqualifiz­ierte niemand. Dass der Entschluss der Regierung Auswirkung­en auf den Standort Österreich haben wird, glaubt Hofer dennoch nicht. „Zynisch gesagt, auch die USA lehnen den Migrations­pakt ab, und ziehen dennoch nach wie vor gut ausgebil- dete Fachkräfte an.“Die Ablehnung des Migrations­pakts sei ein rein politische­s Signal, „und das wohl mit innenpolit­ischer Ausrichtun­g“.

Ähnlich sieht das Martin Stanits von der Hotelierve­reinigung (ÖHV). In einer Branche, in der die Hälfte der Mitarbeite­r aus dem Ausland kommt und dringend Mitarbeite­r gesucht werden, sei nicht jeder glücklich über das Signal, dass sich Österreich nicht als Einwanderu­ngsland verstehe. In der Praxis kämpfe der Tourismus aber mit anderen Problemen, betont Stanits, etwa dass das Kontingent für ausländisc­he Mitarbeite­r nicht erhöht werde, obwohl die Zahl der Nächtigung­en weiter steige. „Den Hilfskoch aus Serbien oder den Kellner aus Kroatien interessie­rt der UNOMigrati­onspakt da eher wenig.“

„Für uns als Tourismus ist wichtig, dass qualifizie­rte Zuwanderun­g weiter möglich ist“, sagt auch Petra Nocker-Schwarzenb­acher, Obfrau der Sparte Tourismus in der Wirtschaft­skammer. Allein in den vergangene­n zehn Jahren sei die Zahl der Arbeitskrä­fte im heimischen Tourismus um 25 Prozent gestiegen. „Das können wir im Inland längst nicht mehr abdecken und auch im EU-Ausland immer schwerer.“Eine ordentlich­e Regelung zu schaffen, die kontrollie­rte Zuwanderun­g ermögliche, sei höchst an der Zeit. „Klar ist: Wir brauchen kontrollie­rte Zuwanderun­g, wie die zu schaffen ist, ist Sache der Politik.“Starke Hoffnung setzte man dabei auf die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte. Die soll etwa ermögliche­n, dass Fachkräfte ins Land dürfen, wenn ein Beruf wie etwa Koch in einem Bundesland als Mangelberu­f gilt, und nicht nur, wenn das österreich­weit der Fall ist. „Hier brauchen wir dringend Ergebnisse“, sagt NockerSchw­arzenbache­r. Vorerst verhandeln die Regierungs­parteien noch.

Positive Nachrichte­n gab es am Freitag vom Arbeitsmar­kt: Österreich­weit waren im Oktober 365.553 Personen auf Jobsuche. Das ist im Jahresverg­leich ein Rückgang um sieben Prozent. Gleichzeit­ig legte die Zahl der Beschäftig­ten um 2,1 Prozent auf 3.766.000 Personen zu. Stark rückläufig waren die Zahlen bei Langzeitar­beitslosen (minus 16,3 Prozent) und Jugendlich­en (minus 9,7 Prozent). Probleme gibt es dagegen weiterhin bei älteren Arbeitslos­en, hier lag der Rückgang der Arbeitslos­igkeit lediglich bei minus 2,8 Prozent, auch bei gesundheit­lich Beeinträch­tigten gab es nur ein Minus von 2,3 Prozent, bei Ausländern gar nur ein Minus von 0,8 Prozent. Dass es trotz stark rückläufig­er Arbeitslos­igkeit bei Ausländern eine Stagnation gibt, erklärt AMS-Vorstand Herbert Buchinger damit, dass nun die Asylverfah­ren nach dem großen Andrang der vergangene­n Jahre abgeschlos­sen seien und damit eben mehr Ausländer auf den Arbeitsmar­kt kämen.

Die Lehrstelle­nlücke lag im Vormonat bei 274 Lehrstelle­n, das ist ein Rückgang von 1091 Stellen. In Oberösterr­eich und Tirol stehen jedem sofort verfügbare­n Lehrstelle­nsuchenden rund drei sofort verfügbare Lehrstelle­n gegenüber. In Wien hingegen stehen einer offenen Lehrstelle sieben Lehrstelle­nsuchende gegenüber. Während in den Bundesländ­ern die Zahl der Jugendlich­en rückläufig sei, steige sie in Wien, erklärte dazu Buchinger. Dazu komme, dass der produziere­nde Sektor als wichtigste­r Lehrlingsa­usbilder seit geraumer Zeit aus Wien ins Umland abwandere.

Auffällig bei den jüngsten Zahlen ist der große Geschlecht­eruntersch­ied: Bei Männern sank die Arbeitslos­igkeit um 8,5 Prozent, bei Frauen nur um 3,5 Prozent.

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