Rechter Richter marschiert
Nach einer angeblichen FBI-Untersuchung wollen die amerikanischen Republikaner und Präsident Donald Trump ihren Kandidaten für das Höchstgericht durchboxen.
WASHINGTON. Die hochbrisanten Papiere wurden im Schutze der Nacht angeliefert. „Die Untersuchung zu Richter Kavanaugh ist angekommen“, twitterte Chuck Grassley, Vorsitzender des Justizausschusses im US-Senat. Bis spät in den Abend hatten Demonstranten vor und im Kongressgebäude gegen die Berufung des hochumstrittenen Juristen an den wenige Hundert Meter entfernten Supreme Court protestiert. „Wow, so viel Enthusiasmus und Energie für Brett Kavanaugh“, twitterte zur gleichen Zeit US-Präsident Donald Trump: „Schaut auf die Umfragen. Etwas Großes passiert.“
Seither besteht kein Zweifel mehr, dass die Republikaner ihren ultrakonservativen Kandidaten, der die Mehrheit am Obersten Gericht für Jahrzehnte nach rechts verschieben würde, durchpeitschen wollen. In einem Geheimraum im Keller des Senats wurden die FBIUntersuchungen um 8.00 Uhr am Donnerstag den 100 Senatoren zugänglich gemacht. Sie dürfen nicht kopiert und über ihren Inhalt darf nicht gesprochen werden.
Mehrheitsführer Mitch McConnell hat für heute, Freitag, eine Verfahrensabstimmung im Senat angesetzt. Mindestens 30 Stunden später könnte im Senat über die Berufung abgestimmt werden, in dem die Republikaner eine hauchdünne Mehrheit von zwei Stimmen halten.
Der 53-jährige Kavanaugh, der sich der Öffentlichkeit als liebender Familienvater und überzeugter konservativer Katholik präsentiert hatte, sieht sich mit schwereren Vorwürfen konfrontiert. Drei Frauen beschuldigen ihn der sexuellen Nötigung oder versuchten Vergewaltigung zu Schul- oder Studienzeiten. Mehrere Studienkollegen haben ausgesagt, dass Kavanaugh entgegen seiner Darstellung zu UniZeiten heftig dem Alkohol zusprach, an wilden Saufpartys teilnahm und mehrfach derart betrunken war, dass er jede Kontrolle über sich verlor. Nach der Anhörung von Kavanaugh hatte ein republikanischer Senator eine zusätzliche FBIUntersuchung durchgesetzt.
Allerdings hatte die Bundespolizei auf Weisung des Weißen Hauses nur wenige Tage Zeit. Es wurden weder die Hauptanklägerin Christine Blasey Ford, eine Psychologieprofessorin, noch die Anklägerin Julie Swetnick befragt. Auch mehrere Studienkollegen von Kavanaugh, die seinen exzessiven Alkoholkonsum bestätigen wollten, kamen nicht zum Zug. Befragt wurde hingegen die Anklägerin Deborah Ramirez, der Kavanaugh angeblich bei einer Party seinen Penis ins Gesicht drückte. Auch drei Freunde, die bei der Party anwesend gewesen sein sollen, bei der Kavanaugh angeblich die damals 15- oder 16-jährige Ford zu vergewaltigen versuchte, wurden vernommen. Sie hatten schon vorher erklärt, dass sie sich an nichts erinnern könnten.
„Diejenigen, die die FBI-Untersuchung dirigieren, sind an der Wahrheit nicht interessiert“, erklärten die Anwälte von Ford. Ramirez sagte, das FBI habe sich fünf Tage lang bei ihr nicht gemeldet und dann kurzfristig ein Interview angesetzt. An weiteren Zeugen habe kein Interesse bestanden: „Ich fühle mich, als habe man mich zum Schweigen gebracht.“Tatsächlich erklärte das Weiße Haus bereits in der Nacht zum Donnerstag, der FBI-Bericht enthalte keine Bestätigung der Vorwürfe. Präsident Trump, der sich anfangs zurückgehalten hatte, machte sich am Dienstag bei einer Wahlveranstaltung über Ford lustig. „Die unfaire Behandlung von Richter Kavanaugh hat einen unglaublich positiven Einfluss auf die Wähler“, jubelte er am Donnerstag.
Zuvor hatte die Nachrichtenseite Axios über mehrere teils interne Umfragen der Republikaner berichtet, denen zufolge der Kulturkampf um Kavanaugh die rechte Basis elektrisiert und die Republikaner in kritischen Bundesstaaten an Unterstützung gewinnen. Dementsprechend will Trumps Partei die Berufung durchpeitschen. Alles hängt nun von drei republikanischen Senatoren ab, die sich zuletzt kritisch gegenüber der Personalie äußerten.
Umgekehrt könnte der Richter jedoch die Stimmen von zwei demokratischen Senatoren erhalten, die um ihre Wiederwahl in konservativ geprägten Staaten fürchten.