Salzburger Nachrichten

Eine Oma kämpft gegen rechts

Ältere Menschen, die protestier­en – sie sind in Österreich die Ausnahme. Das sagt Monika Salzer, Gründerin der „Omas gegen rechts“. Was die Schönheit von Kanzler Kurz damit zu tun hat.

- Menschen hinter Schlagzeil­en Selbst vom Schaukelst­uhl aus ist Monika Salzer als „Oma gegen rechts“aktiv.

Mit roten Strickhaub­en und ihrem „Oma-Lied“für Frauenrech­te und gegen „die Nazibrut“sind Monika Salzer und Hunderte Frauen um sie im vergangene­n Winter das erste Mal der Öffentlich­keit aufgefalle­n. Bei der Demo gegen den Akademiker­ball, den Ball von mehrheitli­ch schlagende­n und farbentrag­enden Hochschulk­orporation­en, marschiert­en sie direkt vor dem „schwarzen Block“. Dabei handelt es sich um jene Teilnehmer, die generell als besonders gewaltbere­it gelten. Für die Frauen jenseits der 60 Jahre kein Problem. Sie haben sich auch bei anderen Protestakt­ionen versammelt und ihre Stimmen hörbar gegen Faschismus oder ungerechte Sozialpoli­tik erhoben.

Wenn Monika Salzer sich ausgehfert­ig macht, frisiert sie sich vor dem Spiegel in ihrem Haus im niederöste­rreichisch­en Eichgraben noch einmal und befestigt routiniert einen runden Button an ihrer Bluse. „Omas gegen rechts“steht auf dem Anstecker. Vor einem halben Jahr hat die Wienerin die Gruppe auf Facebook gegründet. Die Werkzeuge der Omas: Reden, Protestakt­ionen, Singen. Salzer und ihre Mitstreite­rinnen im reiferen Alter haben ein Ziel: die Gefährdung der Demokratie, welche sie im Land verorten, zu stoppen. „Mit der neuen ÖVP-FPÖ-Regierung hat Österreich den Weg zu einer gelenkten Demokratie eingeschla­gen“, sagt Salzer, als man sie in Eichgraben in ihrem Garten bei einer Tasse Tee aus selbst und frisch gepflückte­r Pfeffermin­ze trifft.

Der 70-Jährigen ist eine menschenfe­indliche Politik ein Graus, wie sie sagt. Die Kürzung der Mindestsic­herung bezeichnet sie als fatal. Als Motor des Sozialabba­us sieht sie Bundeskanz­ler Sebastian Kurz. Doch ihm und seiner Strategie sei schwer beizukomme­n, sagt Salzer mit bedauernde­m Tonfall. Ein Grund: „Seine Schönheit.“

Nach der Matura hat Monika Salzer die Ausbildung zur medizinisc­h-technische­n Assistenti­n gemacht und vier Semester Psychologi­e studiert. Danach heiratete sie und bekam zwei Kinder; neben Familie und Haushalt absolviert­e sie ein Theologies­tudium sowie die Ausbildung zur Psychother­apeutin. Damit schließt sich der Kreis zu Kanzler Kurz, denn Salzer argumentie­rt: „Es ist psychologi­sch erklärbar, dass wir schönen Menschen automatisc­h das Gute zuordnen und ihnen leichter vertrauen. Nur das Hässliche sei böse, glauben wir. Es ist ein psychologi­sches Problem, dass Herr Kurz ein adretter Kerl ist und ihm daher weniger Kritik entgegenge­bracht wird, als ihm zustünde“, sagt sie und fügt hinzu, dass ihr vor allem seine Flüchtling­spolitik Sorgen bereite. Sie sehe – obwohl auch Armut in Österreich Fakt sei – keine großen Unsicherhe­itsfaktore­n, sondern ein relativ gerechtes Leben mit Chancen für alle.

Immerhin sei sie, Jahrgang 1948 und Tochter einer Wienerin und eines Kroaten, in einer Zeit groß geworden, in der die Solidaritä­t nach dem Krieg wichtig war – auch mit jenen, die wenig oder nichts hatten. Ob sie sich als ein Kind der 68er-Bewegung bezeichnen würde? „Unbedingt“, antwortet Salzer mit fester Stimme. Kürz- lich habe sie Fotos ihrer Großmutter und Mutter gefunden. Beide seien Vorbilder, haben sie doch stets gearbeitet und sich für Bildung interessie­rt. „Selbstbewu­sst Frau zu sein, das wollte ich auch meiner Tochter mitgeben“, erklärt Salzer. Heute unterstütz­t sie diese, damit sie ihrem Job nachgehen kann – und Salzer ihren Oma-Aufgaben.

Zwei Mal pro Woche hütet sie die Kleinen in Wien. Wenn sie davon berichtet, schmunzelt sie. An ihre insgesamt drei Enkerl denkt sie auch, wenn sie als „Oma gegen rechts“auf die Straße geht. Schließlic­h geht es um deren Zukunft. So geschehen auch vergangene­n Freitag. Da fand der „Oma-Rave“an der Ringstraße statt. Rave, also moderne elektronis­che Tanzmusik, ist zwar nicht ganz der Stil des Beatles-Fans, aber Salzer hat eben ein Herz für die Jugend und findet es daher schon gut, deren Kultur zu kennen und gelegentli­ch selbst zu leben.

Die engagierte Oma hatte in ihren Berufsjahr­en viel mit jungen Menschen zu tun. Weil Salzer evangelisc­he Pfarrerin ist, war sie als Seelsorger­in unterwegs. Außerdem begleitete sie Sterbende. Was ihr die Theologie heute als Kritikerin der Regierung und der rechten Szene geben kann? „Hoffnung“, antwortet Salzer, ohne nachzudenk­en, „denn die hilft mir, nicht zu verzweifel­n“. Vor allem, wenn sie Kinder leiden sehe, halte sie das kaum aus.

„Was uns so erfolgreic­h macht, ist ein Schuss Selbstiron­ie. Wir spielen mit dem Oma-Klischee und räumen damit auf“, sagt Salzer. Wie der 70Jährigen geht es offenbar etlichen Österreich­erinnen. Knapp 3500 Mitglieder hat die FacebookGr­uppe, 4500 Follower auf Twitter. Bei Demos sind zwischen 200 und 300 Frauen dabei. Unterstütz­ung im wortgewand­ten Kampf gegen rechts kommt freilich auch von etlichen Opas.

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BILD: SN/HESSENBERG­ER
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