Salzburger Nachrichten

„Bevölkerun­g ist begeistert vom politische­n Wandel“

- Mit K. Sansculott­e-G. stv

Kwesi Sansculott­e-Greenidge stammt aus Guyana und ist Berater für die Bereiche Frieden und Entwicklun­g im UNO-Hauptquart­ier in Addis Abeba, das rund 3000 Mitarbeite­r aus den verschiede­nsten UNO-Teilorgani­sationen umfasst. SN: Welchen Rückhalt hat der neue Premier Abiy? Sansculott­e-Greenidge: 95 Prozent der Bevölkerun­g stehen hinter ihm. Sie sind begeistert vom politische­n Wandel und den ersten Ankündigun­gen. Denn es gibt Ausblick auf politische Teilhabe. Aber man muss auch relativier­en: Der Premiermin­ister ist immer noch ein Mitglied der regierende­n Einheitspa­rtei EPRDF. Er hat nicht so viel Spielraum. Und es gibt einige Dinge, die er nicht ändern kann. Es besteht aber die Möglichkei­t von politische­n Reformen. Die Wirtschaft­sdaten sind gut – aber nicht so gut wie vor drei oder vier Jahren. Das Wirtschaft­swachstum ist auf 8,9 Prozent zurückgega­ngen. Wir benötigten aber mehr als neun Prozent, um die Armut wirksam zu bekämpfen. Aber es ist in den vergangene­n 15 bis 20 Jahren schon viel passiert. SN: Was hat der Premier in seinen ersten 100 Tagen seit Anfang April bereits erreicht? Er hat die Bevölkerun­g mit Hoffnung erfüllt. Die gab es in den vergangene­n Jahren nicht. Und er hat sich der Konflikte angenommen: Denn Äthiopien hat herausford­ernde Zeiten vor sich – im Verhältnis des Bundes- zu den Regionalst­aaten sowie zu den Nachbarlän­dern. Denn die Regionen wollen mehr politische Macht und mehr ökonomisch­en Freiraum. Und die einzelnen ethnischen Gruppen wollen mehr Mitsprache­recht. Der Premier hat aber auch viel erreicht, indem Hunderte politische Gefangene, Dissidente­n, aber auch wegen Gewalttate­n verurteilt­e Opposition­elle freigelass­en wurden. Das passiert in Entwicklun­gsländern nur sehr selten. SN: Waren es primär die Jugendlich­en, die durch ihre Proteste den Rücktritt des alten Premiers erreicht haben? Ja, es war hauptsächl­ich ein Erfolg der Jungen. Aber das Ziel der Proteste war nicht unbedingt der Rücktritt. Dieser war aber die Folge von vielen ungelösten Fragen – ethnischen, regionalen, ökonomisch­en – sowie der Frage der fehlenden Partizipat­ion. Wenn man zehn Demonstran­ten fragt, wird man da zehn verschiede­ne Gründe für den Protest hören. Ein Auslöser war auch der „Masterplan“für Addis Abeba (der eine Ausdehnung der Hauptstadt auf die Umlandgeme­inden vorsah, Anm.). Dadurch hat die Regierung auch einen gewissen „Reality-Check“bekommen.

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