Europa muss sich seiner Stärke erst bewusst werden
Ein gespaltenes Europa droht zur leichten Beute des US-amerikanischen Präsidenten zu werden.
Donald Trumps Strafzölle auf Stahl und Aluminium sollten ein Weckruf für Europa sein. Der US-Präsident betrachtet Handel, Sicherheit und Diplomatie als Nullsummenspiel. „Amerika zuerst“geht zulasten aller anderen, selbst wenn es die engsten Verbündeten sind.
Wenn die Europäische Union zu Recht auf die Absurdität hinweist, mit „nationaler Sicherheit“gegenüber NATO-Partnern und befreundeten Nationen zu argumentieren, ficht das Trump überhaupt nicht an. Er sieht die Supermacht als Opfer, die vor allem von ihren Freunden ausgenutzt wird.
Geradezu obsessiv ist die Missgunst des Präsidenten gegenüber dem wirtschaftlichen Erfolg der Deutschen. Diese reicht bis mindestens 1990 zurück. In einem Interview mit dem „Playboy“versprach er damals, als erste Amtshandlung einer Trump-Präsidentschaft eine Einfuhrsteuer auf jeden Mercedes-Benz erheben zu wollen. Deshalb sind Berichte glaubwürdig, wonach Trump dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron im April gesagt haben soll, er habe vor, so lange mit seiner Handelspolitik weiterzumachen, bis keine deutsche Nobelkarosse mehr auf der Fifth Avenue in New York zu sehen sei.
Die beste Antwort auf Trumps Protektionismus ist jenseits der eher symbolischen Vergeltungsmaßnahmen nicht die Eskalation zu einem Handelskrieg mit den USA, sondern mehr freier Handel mit anderen Staaten. Die Europäische Union sollte schnell daran arbeiten, eine Freihandelszone zu schaffen, die von Kanada über Mexiko bis hin zu den Mercosur-Staaten und den Staaten der transpazifischen Partnerschaft TPP reicht.
Darüber hinaus wird es höchste Zeit, dass die deutsche Kanzlerin Angela Merkel die Reformideen des französischen Präsidenten Macron aufgreift und ein starkes Europa schafft. Wie weit dessen Einfluss reicht, wenn es gemeinsam handelt, zeigte sich bei dem neuen Datenschutzgesetz. Amerikanische Unternehmen fluteten die Eingangsordner auf den Computern in den vergangenen Tagen mit neuen EUkompatiblen Regeln.
Die Europäische Union leidet nicht an zu viel, sondern an zu wenig Gemeinsamkeit: von der Finanzund Haushaltspolitik über die Außen- und Sicherheitspolitik bis hin zur Einwanderung. Ein gespaltenes Europa droht zur leichten Beute eines US-Präsidenten zu werden, der nicht davor zurückschreckt, anderen seinen Willen aufzuzwingen.
„Amerika First“heißt „Der Rest der Welt Second“.