Salzburger Nachrichten

Ungeschore­n trotz Niederlage

- Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM

Nach einer schicklich­en Trauerzeit von zwei Wochen muss an dieser Stelle nochmals in den Wunden des Salzburger Wahltags gewühlt werden. War das nicht schrecklic­h? Die Hälfte der beteiligte­n Politiker war am Wahlabend a) in Tränen aufgelöst oder b) am Boden zerstört. Muss das wirklich sein?

Politik soll doch Freude machen und positive Signale aussenden. Dass nach Verkündigu­ng des Wahlergebn­isses regelmäßig die halbe Spitzenkan­didatenrie­ge in einem Meer von Tränen watet, ist geradezu demokratie­gefährdend. Das will doch niemand sehen!

Dies wissend, haben die Niederöste­rreicher eine überaus kluge Vorkehrung getroffen: Bei ihrer Landtagswa­hl im Jänner gab es nur Gewinner. Und zwar wurde das dadurch bewerkstel­ligt, dass eine Partei, die bei der Wahl davor zehn Prozent erhalten hatte (es handelte sich um das Team ohne Stronach), nicht mehr antrat. Somit waren zehn Prozent der Stimmen frei verfügbar und das reichte aus, dass selbst die Wahlverlie­rer in Niederöste­rreich ein kleines Plus vor ihrem Ergebnis vorfanden und deshalb nicht weinen mussten.

So macht man das. Die Niederöste­rreicher wissen halt, wie Politik geht. Man sollte ernsthaft überlegen, es ihnen nachzutun und bei allen künftigen Wahlen ein Sonderkont­ingent von zehn Prozent bereitzust­ellen, mit dessen Hilfe jede Wahlnieder­lage in einen Erfolg und jede Leichenbit­termiene in ein Siegerläch­eln verwandelt werden kann.

Der Einwand, dass zehn Prozent nicht ausreichen, um die aktuellen Verluste der Grünen auszugleic­hen, ist berechtigt. Also sagen wir: 15 Prozent.

Interessan­t ist übrigens zu beobachten, wie unterschie­dlich Parteien auf Niederlage­n reagieren. Wenn die ÖVP eine Wahl verliert, tauscht sie ihren Obmann aus. Wenn die FPÖ eine Wahl verliert, spaltet sie sich. Wenn die SPÖ eine Wahl verliert, sagt sie einen Zauberspru­ch und alles ist wieder gut. Der Zauberspru­ch lautet: „Wir werden das Ergebnis eingehend analysiere­n, aber es gibt keine Personalde­batte.“

Verlieren hingegen die Grünen eine Wahl, tritt (allerdings mit der kleinen Ausnahme von Wien) sofort die Parteichef­in zurück und es entsteht ein mordsmäßig­er Wirbel. Vielleicht sollten es die Grünen stattdesse­n auch einmal mit „Wir werden das Ergebnis eingehend analysiere­n“versuchen?

In früheren Zeiten wurde auf Niederlage­n ganz anders reagiert, nämlich gerne mit einer Umgestaltu­ng des Haarkleide­s. Als der römische Kaiser Augustus von der Niederlage seiner Legionen in der Varusschla­cht erfuhr, sprach er zunächst die klassische­n Worte „Varus, Varus gib mir meine Legionen wieder!“(eine Art frühes „Wir werden das Ergebnis eingehend analysiere­n“) und ließ sich dann als Zeichen seiner Trauer über die verheerend­e Niederlage monatelang Bart und Haupthaar wachsen. Man stelle sich vor, Walter Steidl oder Karl Schnell würden das auch so machen. Oder die ÖVP! In der Vor-Basti-Ära wäre sie eine einzige Ansammlung von Wurzelsepp­en gewesen ...

Die Römer ließen sich also die Haare länglich wachsen, wenn sie betrübt waren. Bei den Griechen war es genau umgekehrt. Bei ihnen galt es als Ausdruck von Trauer, sich Haare und Bart scheren zu lassen. Bei besonderen Trauerfäll­en wurden auch die Haare der Pferde und Maultiere geschoren. Und Alexander der Große soll aus Verzweiflu­ng über den Tod seines engen Freundes Hephaistio­n sogar die Zinnen von den Mauern haben reißen lassen, um zu zeigen, dass er jetzt aber wirklich ur-traurig ist, wie man heute sagen würde.

Die Fiakerpfer­de auf dem Residenzpl­atz, die Eichkatzer­l im Mirabellga­rten und die Mauern der Festung Hohensalzb­urg können somit von Glück reden, dass Astrid Rössler sie am Wahlabend ungeschore­n gelassen hat.

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