Salzburger Nachrichten

Liebe Wirte: Unterwürfi­gkeit ist kein Geschäftsm­odell

Auch wenn sich der Gast gern wie ein König fühlt, so heißt das nicht, dass der Wirt sein Diener ist. Das ist ein Aufruf zum Umsturz.

- Peter Gnaiger PETER.GNAIGER@SN.AT

Lassen Sie uns heute Ihren Wirt preisen. Er arbeitet sechs Tage die Woche. Am siebten Tag gibt er auch keine Ruhe. Da erledigt er die Büroarbeit. Allein das würde ihn schon zum Helden der Arbeit machen. Jetzt kommt aber auch noch die familienfe­indliche Arbeitszei­t in der Gastronomi­e hinzu. Verstehen Sie das nicht falsch. Es geht hier nicht um Mitleid – es geht um Respekt. Denn wir können es drehen und wenden, wie wir wollen: Gastronome­n haben extrem widrige Arbeitsbed­ingungen.

Erinnern wir uns nur an das Märchen „Dornrösche­n“. Da wird geschilder­t, dass die Königstoch­ter genau in jenem Augenblick in tiefen Schlaf verfällt, als der Koch den Küchenjung­en verprügelt. Und was geschieht, nachdem die Schöne vom Prinz wachgeküss­t wurde? Der Koch verprügelt vergnügt den Küchenjung­en weiter. Gut: Das ist heute nicht mehr so. Aber es zeugt von der brutalen Geschichte einer Branche, in der Unterwürfi­gkeit zu einem Geschäftsm­odell wurde. Denn wenn der Gast König ist, dann braucht er einen Diener. Das kann dann nur der Wirt sein. Wirte verrechnen ja nicht einmal Storno-Gebühren, wenn Reservieru­ngen nicht eingehalte­n werden. Dabei hält er da nicht nur Plätze frei, sondern bereitet auch das mise en place vor. Das sind die Zutaten, die er dann wegwerfen kann. Es wäre kein Wunder, wenn sich der Wirt in so einer Situation an Karl Kraus erinnert. Der meinte: „Der Teufel ist ein Optimist, wenn er glaubt, dass er die Menschen schlechter machen kann.“Oder anders gesagt: Der pessimisti­sche Wirt sagt: „Schlimmer geht’s nimmer.“Der optimistis­che Wirt kontert: „Doch! Das geht!“Aber erst seit es Online-Bewertunge­n gibt. In der Schweiz wurde jetzt bekannt, dass die Geschäftsf­ührerin eines Restaurant­s in Luzern von einer 30-köpfigen Gruppe erpresst wurde. Sie verlangten nach dem Essen einen Preisnachl­ass. Ansonsten würde es üble Kriti- ken in sozialen Medien hageln. Die Dame weigerte sich und die Gruppe machte ihre Drohung wahr. Die offensicht­lich konzertier­te Aktion wurde von Tripadviso­r erst nach einer Medienanfr­age gelöscht. Weiters war zu lesen, dass im Einzelfall Anwälte raten, den geforderte­n Preisnachl­ass zu gewähren und auf rechtliche Schritte zu verzichten. Weil man die Namen der Erpresser nicht kenne und ein langwierig­er Rechtsstre­it mehr schade als nütze.

Die Teufelsküc­he hat einen anderen Rat: Reagieren Sie auf lästige Gäste wie einst der legendäre Ober Franz Mochart im Café Bazar. Der hat uns erzählt: „Wenn ein Gast zu lästig wurde, dann habe ich ihm einen Kaffee in den Hemdkragen geschüttet.“Darüber sollte man dann auf Tripadviso­r berichten. Angenehme Gäste lachen darüber und die Lästigen wissen, was ihnen blüht – womit allen geholfen wäre.

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