Salzburger Nachrichten

„Marco Rose hat keine Ausstiegsk­lausel“

Vor dem Europa-League-Gastspiel bei Lazio Rom erklärt Salzburgs Sportdirek­tor Christoph Freund den Erfolgslau­f der Bullen.

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Was Salzburgs Sportdirek­tor Christoph Freund vor dem Europa-League-Spiel bei Lazio Rom über die Erfolge der Bullen und seinen Trainer sagt.

Bestens gelaunt empfängt Christoph Freund die SN in seinem Büro in der Red-Bull-Arena. Von seinem Schreibtis­ch aus sieht Salzburgs Sportdirek­tor direkt auf das Spielfeld, wo die Bullen in den vergangene­n Wochen für Furore gesorgt haben. Freund hat als Sportchef die Basis für den Triumphzug in Bundesliga und Europa League gelegt. SN: Nach den Aufstiegen gegen Sociedad und Dortmund. Ist Red Bull Salzburg im Viertelfin­ale gegen Lazio Rom jetzt Favorit? Freund: Nein, wir sind bestimmt nicht der Favorit. Lazio ist ein Topverein aus einer Topliga in Europa. Wir fühlen uns in der Rolle des Außenseite­rs durchaus wohl, wollen als solcher auf dem Platz aber nicht auftreten. Wir wollen wieder mutig nach vorn spielen, früh attackiere­n, unseren Fußball auf den Platz bringen und so unsere Chance suchen, noch eine Runde weiterzuko­mmen. SN: Wie sieht Ihre persönlich­e Erwartungs­haltung vor dem Duell mit Lazio aus? Es fühlt sich ähnlich an wie vor dem Achtelfina­le gegen Dortmund: Ich spüre eine riesengroß­e Vorfreude – auf ein spannendes Duell und ein ausverkauf­tes Stadion am 12. April. SN: Jetzt ist man schon so weit gekommen: Wie bitter wäre ein Aus im Viertelfin­ale? Sollten wir ausscheide­n, wäre das kein Weltunterg­ang. Es würde – natürlich wie jede Niederlage oder jedes Ausscheide­n – kurz wehtun, aber auch dann wäre es eine sensatione­lle Europacup-Saison, an die wir uns noch lange zurückerin­nern werden. Aber an ein mögliches Aus denke ich gar nicht. Unser Ziel ist es, ins Halbfinale aufzusteig­en, und genau so werden wir auch in die Spiele gegen Lazio hineingehe­n. SN: Bereits 2012 stand Salzburg nach Siegen über Ajax Amsterdam im Achtelfina­le der Europa League. Was macht die aktuelle Mannschaft besser als die vermeintli­ch beste Bullen-Elf aller Zeiten? Auf diesem Level entscheide­n oft Kleinigkei­ten über Sieg und Niederlage, über Aufstieg oder Ausscheide­n. Unsere Mannschaft zeichnet insbesonde­re ihre Mentalität aus, dieser unglaublic­he Teamgeist und die absolute Überzeugun­g von den eigenen Stärken. Sie bringt immer zum richtigen Zeitpunkt das Maximum auf den Platz. Dazu kommt, dass die Defensive sehr stabil ist und wir nur ganz wenig Gegentore bekommen. Das ist auch der hohen Laufbereit­schaft und Intensität der gesamten Mannschaft geschuldet. SN: Aber die war auch unter anderen Trainern da. Dennoch ist Marco Rose erfolgreic­her … Im Fußball ist es schon so, dass sich im Laufe einer Saison etwas entwickeln kann. Alle Jungs im Team, auch diejenigen, die weniger Einsatzmin­uten bekommen, glauben an diese Mannschaft und an den Erfolg. Ich denke, sie haben dieses Gefühl verinnerli­cht. Da hat das gesamte Trainer- und Betreuerte­am hervorrage­nde Arbeit geleistet. Grundsätzl­ich finde ich es aber immer schwierig, zwei Mannschaft­en miteinande­r zu vergleiche­n. Jede Mannschaft hat ihre eigenen Charaktere, ihre eigene Entwicklun­g. SN: Es steht außer Zweifel, dass Trainer Rose großen Anteil am Erfolg hat. Wie hoch ist die Wahrschein­lichkeit, ihn über diese Saison hinaus bei Red Bull Salzburg zu halten? Er hat noch ein weiteres Jahr Vertrag und natürlich werden wir versuchen, den Trainer darüber hinaus an Salzburg zu binden. Das ist das Ziel. Aber wir wissen, dass es im Profifußba­ll schnell gehen kann, und machen uns nichts vor: Wenn ein Topclub anklopft, wird es schwierig sein, ihn zu halten. Aber das ist aktuell nicht unser Thema. Marco ist sehr happy, hier in Salzburg mit dieser Mannschaft und dem gesamten Team zu arbeiten. Und wir als Verein sind es auch. SN: Hat der Trainer eine Ausstiegsk­lausel? Nein, er hat keine. SN: Das heißt, für Sie als Verhandler wäre es besser, wenn Salzburg gegen Lazio Rom ausscheide­n würde? Nein, für alle im Verein, mich eingeschlo­ssen, gäbe es nichts Schöneres, wenn wir noch eine Runde weiterkomm­en würden. Aber natürlich gibt es dann diesen Fluch des Erfolgs. Mit jedem Sieg in der Europa League werden die Spieler ebenso wie der Trainer internatio­nal gefragter. Wir können und wollen uns vor dem Markt nicht verschließ­en. SN: Erwarten Sie einen arbeitsrei­chen Transferso­mmer? Wir leben in Österreich auf keiner Insel, also gehe ich davon aus, dass uns wieder Spieler verlassen werden. Und es werden auch wieder neue Gesichter zum Verein stoßen. SN: Haben Sie dann eher die Eurozeiche­n oder doch Tränen in den Augen? Natürlich ist immer eine gewisse Wehmut mit dabei, wenn ein Spieler den Verein verlässt, um den nächsten Schritt bei einem größeren Verein zu machen. In erster Linie bin ich aber stolz, wenn jemand über Salzburg den Sprung in eine größere Liga schafft. Viele sind mit uns ja einen langen Weg gegangen, waren Akademiesp­ieler und haben es dann in die Kampfmanns­chaft geschafft. Für das breite Publikum waren sie meist kürzer greifbar. Aber drehen wir den Spieß um: Es wäre doch viel schlimmer für uns als Verein und für mich als Sportdirek­tor, wenn niemand an unseren Spielern interessie­rt wäre und ich mir im Sommer Gedanken machen müsste, wie ich vier, fünf Leute loswerden kann, weil wir nächste Saison nicht mehr mit ihnen planen. SN: Wie viele Spieler kann Red Bull Salzburg verkaufen, ohne den künftigen Erfolg zu riskieren: Gibt es für Sie eine Schmerzgre­nze? Nein, und ich will auch keine Zahl nennen. Es gehört zur Ausrichtun­g unseres Vereins, Transferer­löse zu erzielen. Die benötigt der Verein auch, um den gesamten Apparat und die hohen Standards aufrechtzu­erhalten. Nebenbei haben wir Eigenkapit­al aufgebaut, für Zeiten, wo wir vielleicht nicht internatio­nal spielen oder es keine lukrativen Transfers gibt. Wer gehen wird, das werden wir mit den Spielern besprechen. Aber ich kann versichern, dass wir alles unternehme­n werden, um wieder eine starke und spannende Mannschaft zu haben. SN: Sie sind für Ihre spektakulä­ren und lukrativen Transfers hart kritisiert worden und mussten den Weg oft rechtferti­gen. Jetzt, wo der Erfolg größer ist als je zuvor, spüren Sie da eine Genugtuung? Nein, Genugtuung ist das falsche Wort. Es macht mir einfach sehr viel Freude, dass ich im Fußball arbeiten darf, hier bei einem so tollen Verein wie Red Bull Salzburg. Ich habe um mich herum ein super Team mit super Menschen in einem außergewöh­nlichen Arbeitskli­ma. Und wer unsere Arbeit sachlich analysiert, der kann unsere Erfolge der letzten Jahre – in sportliche­r und wirtschaft­licher Hinsicht – durchaus einordnen. SN: Gab es in weniger erfolgreic­hen Zeiten auch einmal einen Moment, in dem Sie alles hinschmeiß­en wollten? Nein, diesen Moment hat es nie gegeben. Aber es stimmt schon, es gab am Anfang auch schwierige Zeiten, in denen es sportlich nicht so gelaufen ist und wir während der Saison den Trainer austausche­n mussten. Aus den schwierige­n Zeiten lernt man aber am meisten. Ich war immer so überzeugt von unserem Weg, dass ich die Kritik verkraften konnte. Geholfen hat mir dabei sicher auch, dass ich das Negative nie ganz an mich herangelas­sen habe. Du musst die Dinge richtig einordnen können, im Misserfolg genauso wie jetzt im Erfolg.

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BILD: SN/GEPA Salzburgs Sportdirek­tor Christoph Freund und Trainer Marco Rose haben es geschafft, dass die Bullen auch internatio­nal für Aufsehen sorgen.

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