Kirche braucht mehr Mut und ein klares Profil
Die Erzdiözese wagte den Blick in den Spiegel und gab eine Studie über den Ruf der Kirche in Auftrag. Das Ergebnis: Eine Reform muss her.
SALZBURG. Ob Befürworter oder Gegner, Gläubige oder Distanzierte: Die katholische Kirche lässt in Österreich kaum jemanden kalt. „Jeder hat eine Meinung über sie, selbst jene, die sagen, dass ihnen die Kirche egal ist“, sagt der Kommunikationswissenschafter Jörg Schneider von der Universität Salzburg. Das sei grundsätzlich eine gute Ausgangsposition, um die Menschen zu erreichen.
Schneider ist einer der Forscher, die im Auftrag der Erzdiö- zese Salzburg untersucht haben, wie es um das Ansehen der katholischen Kirche in Österreich, und vor allem in der Erzdiözese, bestellt ist. Online wurden in Österreich mehr als 1000 Bürger sowie 450 Salzburger Pfarrgemeinderäte befragt. Dazu kamen vertiefende Interviews mit Vertretern aus Kirche und Medien.
Im Kern lautet das Ergebnis: Seit 2010, vor allem aber seit der Wahl von Papst Franziskus 2013 hat sich der Ruf der Kirche stark verbessert, es fehlt ihr aber an Profil. Die Botschaft der katholischen Kirche kommt bei vielen Menschen nicht mehr an. Es gelingt der Kirche zu wenig, ihre Inhalte im Alltag zeitgemäß und glaubwürdig zu vermitteln.
„Ein klares Profil ist wichtiger als Beliebtheit“, sagt der Studienleiter, Universitätsprofessor Mark Eisenegger. „Der gute Ruf nützt nichts, wenn die Menschen mit der Kirche keine klaren Werte verbinden.“Die Kirche müsse ihr Profil schärfen und selbstbewusst kommunizieren. „Diese Trennschärfe ist aber ohne Reibung nicht zu haben.“
Eisenegger rät der Kirche, ihre Kernbotschaften und die christliche Ethik mutiger nach außen zu tragen. „Die frohe Botschaft bleibt in der Kirche, oder auf Salzburg bezogen im Dom.“Die Kirche sei gefordert, Bevölkerungsgruppen anzusprechen, die zwar nicht in der Kirche anzutreffen seien, jedoch spirituell auf der Suche seien. Auch in der heutigen säkularen Gesellschaft seien drei Viertel der Menschen offen für spirituelle Sinnangebote.
„Bekommen Vertreter der Kirche eine Bühne, müssen sie Christus zum Thema machen und sich nicht immer einer säkularen Logik beugen“, meint der Wissenschafter. „Gegenüber dem Religionsstifter Christus ist
eine bemerkenswerte Zurückhaltung spürbar.“Und dies, obwohl die Studie zeige, dass die christliche Lehre von Liebe und Nächstenliebe ein positiver Reputationstreiber sei.
Außerdem appelliert Eisenegger an die Kirche, sich mutiger in gesellschaftspolitische Diskurse einzubringen. „Die Menschen erwarten, dass die Kirche als moralische Instanz auftritt und den Bedürftigen eine Stimme gibt.“Das beste Vorbild sei Papst Franziskus. Er verkörpere Mut, bringe die christliche Ethik unter die Leute, mische sich ein – etwa durch seine Kapitalismuskritik – und nenne brisante Themen beim Namen, etwa den Umgang der Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen.
Laut dem Studienergebnis befürwortet die Bevölkerung, aber auch die Mehrheit der Pfarrgemeinderäte eine Öffnung der Kirche. Eisenegger: „Die Menschen wünschen sich eine klare Reformagenda.“
Das Ergebnis mache Mut, sei aber auch eine Herausforderung, sagt Prälat Balthasar Sieberer, der in der Erzdiözese das Projekt Zukunftsprozess 2018 leitet. Sieberer bezeichnet die Studie als „professionelles Hinhörprojekt“. Um die Kirche zukunftsfähig zu machen, sei es wichtig, stärker auf die Menschen zu hören. Eines der Ziele sei, als Glaubensgemeinschaft wieder zu wachsen.
Im Vorjahr sind in Salzburg 4611 Menschen aus der Kirche ausgetreten, das sind 128 weniger als im Jahr 2015. Zugleich traten im Vorjahr 454 Salzburger neu oder wieder ein (2015: 474). Die Gesamtzahl der Katholiken in den 210 Pfarrgemeinden der Erzdiözese ging im Vorjahr um 2881 auf rund 470.000 zurück.
Die Erzdiözese sei auf dem richtigen Weg, sagt Sieberer. Mit der Aktion Offener Himmel gehe man hinaus zu den Menschen. Das Studienergebnis werde nun eingehend beraten. Sieberer: „Wir werden vieles deutlicher sagen müssen.“Die Studie werde im Februar auch bei einer Fortbildungswoche für die hauptamtlichen Mitarbeiter in der Diözese Thema sein.
„Papst Franziskus ist das beste Vorbild.“