Salzburger Nachrichten

Die hippe Labour-Chefin begeistert Neuseeland

Der amtierende konservati­ve Premiermin­ister könnte bei der Wahl am Samstag alt aussehen.

- SN, APA

Ginge es nach den Wirtschaft­sdaten, müsste sich der neuseeländ­ische Premiermin­ister Bill English (55) keine Sorgen um seine Wiederwahl machen. Der Pazifiksta­at steht ausgezeich­net da und noch vor wenigen Wochen sah es nach einem glatten Sieg der Konservati­ven bei der Parlaments­wahl am morgigen Samstag aus. Doch überrasche­nd hat nun die Labour-Partei die besseren Karten – dank der neuen, hippen Chefin Jacinda Ardern.

Die unkonventi­onelle HobbyDJane Ardern eroberte die Herzen der „Kiwis“im Sturm, die Umfragewer­te ihrer Partei schossen in die Höhe. Noch im August lagen die Konservati­ven mit 47 Prozent vor Labour mit 24 Prozent, jetzt kann der Premiermin­ister English bestenfall­s noch auf ein Kopf-an-KopfRennen hoffen.

Dabei hatte die National Party alles so gut geplant. Der damalige Premiermin­ister John Key trat im Dezember nach acht Jahren Amtszeit mit besten Beliebthei­tswerten ab und gab den Stab an seine langjährig­e rechte Hand, Finanzmini­ster English, weiter. Der seriöse Wirtschaft­sexperte sollte ein leichtes Spiel haben gegen den farblosen Gewerkscha­fter Andrew Little als Opposition­sführer.

Little warf dann aber am 1. August angesichts seiner katastroph­alen Umfragewer­te das Handtuch. Gegen seine dynamische Nachfolger­in wirkt der Regierungs­chef auf viele nur noch staubtrock­en, uninspirie­rt und langweilig. Es scheint, als hätten viele Neuseeländ­er lange auf die Chance gewartet, die konservati­ve Regierung ohne Bauchweh abwählen zu können.

Tatsächlic­h ist die jüngste Labour-Chefin in der Geschichte der Partei nicht nur bei Frauen und Jugendlich­en beliebt. Die 37-jährige Polizisten­tochter aus der landwirtsc­haftlich geprägten Kleinstadt Morrinsvil­le spricht auch konservati­ve Wähler an. In Wirtschaft­sfragen vertritt sie gemäßigte Positionen, spricht aber zugleich die Schattense­iten des Booms an. Durch die massive Zuwanderun­g ist Wohnraum für zahlreiche Neuseeländ­er unerschwin­glich geworden, in vielen Gewässern kann wegen des massiven Einsatzes von Düngemitte­ln nicht gebadet werden und laut einem UNICEF-Bericht ist die Selbstmord­rate bei Teenagern in keinem Industriel­and so hoch wie in Neuseeland.

Inhaltlich liegen der Premier und seine Herausford­erin allerdings gar nicht so weit auseinande­r. Die Konservati­ven waren schon unter Key in die Mitte gerückt, während Ardern nicht von ungefähr mit dem zentristis­chen französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron verglichen wird. Der Unterschie­d zwischen English und Ardern liegt in ihren Persönlich­keiten. „Der eine ist relativ konservati­v und verspricht Beständigk­eit, die andere ist jung und energiegel­aden und bietet Wandel an“, sagt Politikexp­erte Grant Duncan.

Nach der Wahl am Samstag werden voraussich­tlich sechs Parteien im neuseeländ­ischen Parlament vertreten sein. Rund 3,5 Millionen Bewohner des Pazifiksta­ates haben sich für die Abstimmung registrier­t. Wählen können auch Ausländer mit ständigem Wohnsitz in Neuseeland.

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BILD: SN/AP Jacinda Ardern

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