Teures Gleichstellungsgesetz
SPÖ, FPÖ und Grüne einigen sich überraschend auf die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten. Die Wirtschaft befürchtet Kosten von mehr als 150 Millionen Euro.
WIEN. „Behaftung mit einer abschreckenden Krankheit“gilt rein rechtlich heute noch als Entlassungsgrund – freilich nur für Arbeiter. So steht es in der Gewerbeordnung. Und die ist aus dem Jahr 1859. Für manche Arbeiter gelten im Jahr 2017 Kündigungsfristen von einem Tag: etwa im Baugewerbe oder bei Bäckern. Der Bauarbeiter-Kollektivvertrag schließt eine Kündigungsfrist bis zu einer Betriebszugehörigkeit von zehn Jahren zur Gänze aus.
Allen Parteien ist klar, dass Handlungsbedarf besteht, was die Angleichung der Rechte von Arbeitern und Angestellten betrifft. Jetzt soll es auf einmal ganz schnell gehen. Das Thema soll noch vor der Wah lohne Gesetzes beg uta ch tungsv er fah ren durchgepeitscht werden. Grüne und FPÖ stimmten am Mittwoch abende inem Fristsetzung santragd er SPÖ zu. Damit könnte der Gesetzesentwurf am 12. Oktober im Nationalrat beschlossen werden. Der Gesetzesentwurf sieht Gleichstellung bei Dienstv er hinderungs gründen, Kündigungs modalitäten und beider Entgelt fort zahlung im Kranken stand vor.
Die Neos haben bereits 2014 einen Entschließungsantrag zur Angleichung eingebracht und bei der ÖVP steht die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten im neuen Wahlprogramm. Die beiden Parteien fühlen sich nun aber überrumpelt.
Dieses Gefühl teilen Wirtschaft und Industriellenvereinigung, die heftige Kritik an dem überfallsartigen Parlamentsbeschluss übten. Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, sieht eine „sehr bedauerliche Husch-Pfusch-Wahlkampfaktion“. Er bedauerte, dass die Arbeitgeber übergangen werden und ein Begutachtungsverfahren fehle. Die Generalsekretärin der Wirtschaftskammer, Anna-Maria Hochhauser, befürchtet eine schwere Belastung vor allem für klein- und mittelbetriebliche Arbeitgeberbetriebe und „negative Auswirkungen auf den heimischen Arbeitsmarkt“. Für die Unternehmen sei mit hohen Belastungen in Höhe von mindestens 150 Millionen Euro und darüber zu rechnen. Laut Wirtschaftskammer ist damit zu rechnen, dass viele Dienstnehmer in Baubranche und Gastronomie nur noch befristet beschäftigt werden könnten.
Was bringt der Gesetzesentwurf konkret? Bisher konnte für Arbeiter die 14-tägige Kündigungsfrist verkürzt werden. Künftig gelten auch für Arbeiter die günstigeren Kündigungs regelndes Angestellten gesetzes.
Beider Entgelt fort zahlung sollen auch die Angestellten auf die für Arbeiter geltende Regelung umgestellt werden, was für Angestellte auch eine Verschlechterung bringt: Bei einer Wiedererkrankung innerhalb eines halben Jahres und aufgebrauchtem Entgelt fort zahlungsgr undanspruch gibt es kein Folge anrecht auf das halbe Entgelt mehr. Künftig soll es dafür für Arbeiter wie für Angestellte bereits nach Ende des ersten Dienstjahres – und nicht wie bisher erst nach fünf Jahren–acht Wochen Entgelt fort zahlung geben.
Zudem soll auch bei einvernehmlicher Auflösung des Dienstverhältnisses die Entgelt fort zahlung weiterlaufen.
Beider Dienst verhinderung soll laut Entwurf der Anspruch auf Entgelt fort zahlung, wen nein Arbeiter ohne Verschulden gehindert wurde, nicht mehr ausgeschlossen werden können.