Salzburger Nachrichten

Ein Parteichef in den Mühen der Ebene

Zäh sind die Arbeitstag­e eines SPÖ-Chefs, der seine Partei aus dem Tief holen will. Walter Steidl ist überzeugt, dass sein Horoskop stimmt.

- Ein Tag mit Walter Steidl

„Ich hol mir, was mir zusteht.“Diesen Slogan hat vor wenigen Tagen die SPÖ-Bundespart­ei rund um Kanzler Christian Kern für den Wahlkampf ausgegeben. Seither geht’s rund, vor allem in sozialen Medien.

Bei der Teambespre­chung um 8.30 Uhr im Klubbüro der SPÖ ist der Slogan auch Thema. „Das ist provokant, die Leute reden darüber. Und damit passt’s“, sagt Walter Steidl, seit 2013 SPÖ-Chef in Salzburg. Der Parteigesc­häftsführe­r informiert Steidl über den anstehende­n Nationalra­tswahlkamp­f. Mit Schulbegin­n werde man richtig loslegen. 32.000 Hausbesuch­e sind in Salzburg geplant. Da muss auch Walter Steidl Klinken putzen gehen.

Der Kalender des Sozialdemo­kraten richtet sich nach den Terminen des Bundeskanz­lers. Wenn er in Salzburg ist – wie am 7. Oktober beim Parteitag –, dann wird Walter Steidl nicht von seiner Seite weichen. Stolz und mit breiter Brust erzählt Steidl am Cappuccino nippend die Geschichte, wie er vor mehr als einem Jahr Werner Faymann gestürzt und Christian Kern zum Kanzler gemacht habe. Niemand habe ihm das zugetraut, aber er sei aus allen Konflikten auch mit den eigenen Genossen gestärkt hervorgeko­mmen, erzählt der Parteichef. Steidl mangelt es spätestens seit Faymanns Abgang nicht mehr an Selbstvert­rauen.

Bei der Teambespre­chung geht es auch darum, wie man den Parteichef unter die Leute bringt, immerhin finden in acht Monaten Landtagswa­hlen statt. Oktoberfes­t im Gasteiner Tal, Besuch bei Feuerwehre­n und Sportverei­nen, mitarbeite­n in einem Einkaufsze­ntrum – der Gewerkscha­fter muss bekannt werden. Ohne Regierungs­amt ist das ein schwierige­s Unterfange­n. Da gibt es keine netten Repräsenta­tionstermi­ne oder Festspiele­mpfänge. Stattdesse­n schupft Steidl die wenig glamouröse Parteiarbe­it.

Um 9.15 Uhr gibt der 59-Jährige in seinem Büro noch schnell ein Fernsehint­erview, bevor es zum ersten Termin des Tages geht. Mit dem privaten BMW wird Steidl von seinem Sohn nach Maxglan chauffiert. Steidl will sich ein Bauprojekt ansehen. Hier entstehen Kinderwohn­gemeinscha­ften. Bezogen wird das Gebäude im September. Steidl, aufgewachs­en im Gemeindeba­u in Saalfelden, spricht über die Wohnbauför­derung und die Sozialpoli­tik des Landes. Irgendwie sprudelt schon Wahlkampfr­hetorik aus dem Parteichef, der für alle Fälle immer ein bis zwei Österreich-Fähnchen im Kofferraum parat hat. „Ich bin eher der Befürworte­r kerngesund­er Politik, nicht von kurzsichti­ger Politik.“Der Wortwitz in Anspielung an SPÖ-Kanzler und ÖVP-Außenminis­ter kam an.

Wenn die Kinder in das Haus in Maxglan eingezogen seien, dann wolle er sie ins Fußballsta­dion einladen, sagt Steidl. Ein Ge-

schenk zu seinem 60. Geburtstag, den der SPÖ-Vorsitzend­e in wenigen Tagen feiert. Und weil Steidl einst selbst Fußball gespielt hat, bevor er sich ganz und gar der Gewerkscha­ftsjugend widmete.

Der nächste Termin wartet schon. Zeit zum Mittagesse­n bleibt für den Parteichef, der landesweit eine „Frisch gekocht“Kampagne ausrollte, nicht. Sakko in den Kofferraum, Platz nehmen im BMW. „Wo foah ma hin, eine ins Leben“– tönt es aus dem Radio. Ob sich der SPÖ-Chef diese Frage vielleicht auch manchmal stellt? Wo er gerade hinsteuert mit seiner Partei.

Im Brunauer Zentrum erwarten Steidl Eltern behinderte­r Kinder. Sie haben viel zu erzählen, sind vom System enttäuscht und verzweifel­t, einige Fälle sind längst gerichtsan­hängig. Steidl hört geduldig zu. Es ist eigentlich ein klassische­r Gabi-Burgstalle­rTermin, der Empathie erfordert. Die Mütter erwarten sich Unterstütz­ung. Auf der Unterlage, die eine Frau austeilt, wird Steidl schon (wieder) als Landesrat tituliert. „Da sieht man wieder, wie manche Menschen hellseheri­sche Fähigkeite­n haben“, kommentier­t der Parteichef mit einem Schmunzeln später.

Er weiß aber bereits, dass er an der Situation der Mütter mit zum Teil autistisch­en Kindern kaum etwas wird ändern können. Nach eineinhalb Stunden sagt Steidl schließlic­h: „Es steht nicht in meiner Macht, dass ich das regeln kann. Es steht aber in meiner Macht, dass ich es zum Thema mache. Und dass ich nicht mehr lockerlass­e.“Er werde mit dem neuen Behinderte­nbeauftrag­ten Kontakt aufnehmen, den grünen Sozialland­esrat noch einmal fragen, Kontakte zur Volksanwal­tschaft nutzen, Kanäle für die Eltern zu öffnen versuchen. Das könne er tun. Noch während Steidl versucht, das Beste aus der Situation zu machen, kommt eine Planänderu­ng. Das Rote Kreuz lässt den Termin für 14.30 Uhr kurzfristi­g stornieren. Das gibt Stoff in der Diskussion um einen Notarztstü­tzpunkt im Flachgau, den die SPÖ seit Monaten fordert. Steidl trifft an diesem Nachmittag mit dem Lengauer SPÖ-Bürgermeis­ter und dem SPÖ-Vizebürger­meister aus Neumarkt zusammen und hätte gern auch mit der Rettungsor­ganisation gesprochen. „Nur nicht lockerlass­en“, sagt Steidl seinen Genossen. Die SPÖ wird den fehlenden Notarztstü­tzpunkt im Herbst im Landtag zum Thema machen.

Als die „undankbars­te politische Hackn“hat AK-Präsident Sigi Pichler in einem SN-Interview Steidls Job bezeichnet. Es sind die Mühen der Partei- und Opposition­sarbeit, die Steidls Arbeitswoc­he dominieren. Um 18.30 Uhr ist er an diesem Tag in Zell am See. Es geht um das Tauernklin­ikum und die Übernahme der Betriebsfü­hrung. Die SPÖ-Bürgermeis­ter im Pinzgau, Ortspartei­vorsitzend­e und Nationalrä­te wollen besprechen, welche Position die SPÖ hier einnehmen soll.

Walter Steidl ist überzeugt, dass ihn die Partei braucht wie einen Bissen Brot. Auch wenn der SPÖ-Vorsitzend­e gelegentli­ch eintönig wirkt. „Ich spiele mich eben nicht auf“, meint er dazu. Dass er neben seinem Gehalt als Klubchef ein Extra-Gehalt der Partei beziehe, sei gerechtfer­tigt. Immerhin gehe er beruflich volles Risiko ein, denn er habe auf ein Rückkehrre­cht in die Gewerkscha­ft verzichtet.

2023, bei der übernächst­en Landtagswa­hl, werde die SPÖ wieder um den Landeshaup­tmann-Sessel mitkämpfen können. Ö3-Astrologin Gerda Rogers habe gesagt, dass die im Sternzeich­en Jungfrau Geborenen (wie Steidl) bald Erfolg ernten würden. Ob er denn an Horoskope glaube? „In der Zeitung lese ich sie nie.“

Ganz nach dem SPÖ-Motto will sich der Parteichef bei der Landtagswa­hl 2018 „holen, was uns zusteht“. „Uns steht eine Regierungs­beteiligun­g zu.“

 ?? BILD: SN/ROBERT RATZER ?? „Holen, was uns zusteht.“Das will Walter Steidl für die SPÖ Salzburg auch bei der Landtagswa­hl in acht Monaten.
BILD: SN/ROBERT RATZER „Holen, was uns zusteht.“Das will Walter Steidl für die SPÖ Salzburg auch bei der Landtagswa­hl in acht Monaten.

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