Salzburger Nachrichten

„Harte Arbeit allein nützt Frauen nicht“

Die Chefin des Weltwirtsc­haftsforum­s für Frauen, Irene Natividad, ruft den Frauen zu, gemeinsam für ihre Rechte aufzutrete­n.

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Die US-Amerikaner­in Irene Natividad ist Präsidenti­n des Global Summit of Women, das als Weltwirtsc­haftsforum für Frauen bezeichnet wird. Jedes Jahr kommen mehr als 1000 hochrangig­e Frauen aus Politik und Wirtschaft zu dem Gipfel. Dieses Wochenende war Natividad Teilnehmer­in am „Salzburger Trilog“, bei dem jedes Jahr auf Einladung der Bertelsman­n-Stiftung ein kleiner Kreis internatio­naler Persönlich­keiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur wechselnde Zukunftsfr­agen diskutiert. Heuer ging es unter der Moderation von Altkanzler Wolfgang Schüssel darum, wie Globalisie­rung besser gestaltet werden könnte. Ein Thema, das auch Frauen stark betrifft. Natividad ist unter anderem Vorsitzend­e von Corporate Women Directors Internatio­nal. Das Netzwerk führt Forschung über Frauen in Aufsichtsr­äten durch und bringt weltweit Chefinnen zusammen. SN: Hat die Globalisie­rung das wirtschaft­liche Vorankomme­n von Frauen beschleuni­gt oder behindert? Natividad: Historisch betrachtet hat es geholfen. Die Chefin der USNotenban­k Fed, Janet Yellen, hat gesagt, Amerikas Wohlstand entstand auf dem Rücken der Frauen, weil sie von den 1950er-Jahren an berufstäti­g waren. Auch wenn sie nicht so viel verdient haben wie Männer, brachten sie jedem Haushalt mehr Wohlstand. Schaut man weltweit, sehen wir eine Feminisier­ung der Produktion. Es waren zum Beispiel die Frauen in der Textilindu­strie, die Länder vorwärts brachten. Und wer schraubt in Asien elektronis­che Komponente­n zusammen? Frauen. In Taiwan, den Philippine­n oder anderen Ländern waren es Frauen, die das Einkommens­level der Familien erhöhten. Ihre Arbeit war niedrig entlohnt, aber es war besser als das, was sie zuvor hatten. Frauen bringen 80 Prozent ihrer Einkommen nach Hause, sie fördern damit Bildung und Gesundheit ihrer Familien. Wenn es heute heißt, die Armut in vielen Ländern wurde verringert, dann ist klar, das passierte auf den Rücken der Frauen. Somit sagt Janet Yellen, wenn man will, dass die USA noch mehr Wohlstand generieren, dann beteiligt die Frauen, tut, was immer auch nötig ist, um sie produktiv zu machen. SN: Es ist ein Faktum, dass Frauen entscheide­nd für das Wachstum der Weltwirtsc­haft sind, aber ... ... aber die kulturelle­n Barrieren sind stärker als globale Trends. Diese Barrieren definieren, was eine Frau tun kann. Auch wenn die Frauen überqualif­iziert sind, und in vielen Ländern sind sie das, sind sie nicht dementspre­chend eingesetzt. SN: Warum sind sie nicht in den Positionen, die ihnen zustehen, die sie verdienen? Weil die Frauen nicht jene sind, die Entscheidu­ngen treffen. Sie sind nicht in den Führungseb­enen. SN: Was braucht es, Frauen dahin zu bekommen? Es braucht eine proaktive Politik. Ich bin eine Quoten-Verfechter­in. Quoten haben den Anteil von Frauen in Parlamente­n erhöht. Und jetzt sehen wir, dass Frauenquot­en für Aufsichtsr­äte mehr Frauen in die Gremien bringen. Es funktionie­rt. Und ich bin sehr stolz auf die Länder, die diese Quoten eingeführt haben. Ruanda ist das einzige Land, das ein weiblich dominierte­s Parlament hat, mit einem Frauenante­il von knapp 62 Prozent. Das erste Gesetz, das die Frauen mit ihrer Mehrheit verabschie­det haben, war, dass Frauen erben, besitzen und Eigentum weitergebe­n dürfen. Fragt mich jemand, was passiert, wenn Frauen an der Spitze sind, sage ich, schaut nach Ruanda: 40 Prozent der Unternehme­n dort gehören Frauen, die Straßen von Kigali sind sauber und die Meinung von Buben und Männern, was Frauen können und was nicht, hat sich geändert. SN: Aber auch viele Frauen kritisiere­n die Quote und sagen, das hätten sie nicht nötig. Ich sage diesen Frauen, kommt darüber hinweg! Wenn es ein Werkzeug gibt, um mehr von uns die Möglichkei­t zu geben, dabei zu sein, glaubt denn dann wirklich jemand, dass sich heutzutage ein Unternehme­n inkompeten­te Männer oder Frauen in der Führung leistet? Ich habe von 2009 bis 2011 eine Studie über Frauen in Frankreich gemacht, als man dort die Quote eingeführt hat. Die Frauen waren bestens qualifizie­rt, die Quote war der Grund, warum sie gefunden wurden. Wir haben nun in vielen Ländern einen Pool erfahrener Direktorin­nen, sodass niemand mehr sagen kann, wir können diese Frauen nicht finden. Denn das ist die beliebtest­e Ausrede. Ein Quoten-Gesetz zwingt die Unternehme­n, diese Frauen zu finden. Die Formel, wenn ich nur hart genug arbeite, erreiche ich die Spitze, hat für Frauen nicht funktionie­rt. Wir haben einen Bericht über Vorstandsc­hefinnen in 36 Ländern gemacht. Der Anteil der Frauen in den Aufsichtsr­äten und in den Führungspo­sitionen ihrer Unternehme­n war doppelt so hoch als in Vergleichs­unternehme­n mit männlichen Chefs. SN: Warum anerkennen aber auch Frauen oft ihre Geschlecht­sgenossinn­en nicht? Das sind die gleichen Frauen, die sagen, Quoten funktionie­rten nicht. Wir brauchen mehr Role-Models. SN: Globalisie­rung haben wir auch bei den Frauen-Märschen im Nachklang der TrumpWahl gesehen. Da gingen weltweit Frauen gegen die herabwürdi­genden Aussagen des neuen US-Präsidente­n gegenüber Frauen auf die Straße. Dennoch haben auch Frauen in der westlichen Welt Angst vor den negativen Folgen der Globalisie­rung. Zu Recht? Diese Frauen sind am unteren Ende der ökonomisch­en Leiter, ihre Jobs sind nicht sicher, sie bekommen keine Vollzeitjo­bs. Es geht weniger um die Globalisie­rung, sie wissen nur eines, dass sie wirtschaft­lich in einer schlechten Position sind. Ein Weg zu mehr Gerechtigk­eit, den viele Frauen auch gehen, ist jener, beruflich den Service-Sektor zu wählen. Ein anderer Weg ist das Unternehme­rtum. 40,4 Prozent der Privatunte­rnehmen in den USA gehören heute Frauen. SN: Aber gerade die neue Welt der Technologi­e-Start-ups ist eine männliche Welt. Wie konnte das passieren? Das ist der Grund, warum es so viele Bestrebung­en gibt, mehr Frauen in Naturwisse­nschaften, Technik, Mathematik und Informatik auszubilde­n. Aber auch die gut ausgebilde­ten Frauen bekommen auf Grund der Haltung in Silicon Valley nicht die Jobs. Oder sie bekommen nicht das Kapital für ihre Ideen. Aber was all die sexuellen Belästigun­gen in der Branche in den USA zeigen, ist, dass Klagen gegen Uber oder Google helfen. Die Angst vor dem negativen Image bringt die Unternehme­n zum Umdenken. Es passiert gerade etwas, das diese Unternehme­n das Fürchten lehrt, und daher beginnen sie, das Richtige zu tun. Die Erkenntnis, dass sexuelle Belästigun­g einfach nicht geht, ist durchgedru­ngen. SN: Wie agieren die Frauenorga­nisationen in den USA auf Trumps wiederholt­e Aggression gegenüber Frauen? Er war wohl das Beste, was Frauenorga­nisationen passieren konnte. Sie sind nun wieder sehr aktiv. Frauenorga­nisationen in den USA sind sehr etabliert. Sie haben Budgets und Mitarbeite­r. Das ist in anderen Ländern nicht so. Sie trainieren Frauen für politische Ämter, sie schlagen Gesetze vor. Seit Trumps Wahl flattern die Spenden herein, neue Mitglieder kommen in großer Anzahl, selbst Leute, die gemeint hatten, Frauenorga­nisationen sind nicht mehr nötig, kämpfen hart. SN: Was raten Sie Frauen, um in der Wirtschaft gleichbere­chtigt zu werden? Frauen müssen als Gruppe vereint auftreten und mit einer Sprache sprechen, dann sind sie mächtig. Ich war in einem deutschen Unternehme­n eingeladen, um vor Frauen zu sprechen. Eine Führungsfr­au meinte, hoffentlic­h ist dies das letzte Mal, dass wir als Frauen kämpfen, wir sollten lieber mit den Männern netzwerken und nicht darüber reden, welche Angelegenh­eiten uns als Frauen treffen. Ich sagte ihr, das ist falsch. Zusammen könnt ihr Frauen zum Chef gehen und sagen, wir brauchen dies und das. Die Einzelne wird nicht gehört. SN: Warum kommen Sie zum Salzburg-Trilog? Wie kann man nicht nach Salzburg kommen wollen? Ich mag dieses Trilog-Format, weil es klein ist und einen Austausch mit einer anderen Welt als meiner bedeutet. Anders als in einer großen Konferenz erlaubt es individuel­le Gespräche.

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BILD: SN/JÜRGEN DANNENBERG Irene Natividad setzt sich seit Jahrzehnte­n für Frauenrech­te ein. Ihre Auftritte und Beiträge sind weltweit gefragt.
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