Musterbrauerei ist CO2-neutral
Die Stiegl-Brauerei verfügt mit ihrem Gut Wildshut über ein lebendiges Labor, in dem gearbeitet, experimentiert und viel nachgedacht wird. Das Thema Nachhaltigkeit spielt dabei eine wichtige Rolle.
Die Landwirtschaft in Wildshut neben dem gleichnamigen Schloss gehört seit genau 100 Jahren zur StieglBrauerei in Salzburg. In den Kriegszeiten damals waren viele kleine Dorfbrauereien in Schwierigkeiten geraten, von denen Stiegl in Salzburg und im Innviertel zirka 15 aufkaufte und zu Bierdepots umfunktionierte. Schon vor mehr als 20 Jahren ließ Stiegl-Eigentümer Heinrich Dieter Kiener den Betrieb rund 35 Kilometer nördlich der Stadt Salzburg auf biologische Landwirtschaft umstellen. In den vergangenen Jahren wurde das Anwesen aufwendig renoviert und mit einer kleinen Brauerei und der Gastronomie wurde dem wunderbaren Ensemble mehr Leben eingehaucht.
Die Ortschaft Wildshut hatte über Jahrhunderte als Gerichtsstätte an der Grenze zwischen Bayern (bzw. ab 1779 Österreich) und dem Erzbistum Salzburg eine gewisse Bedeutung, das Bezirksgericht gab es immerhin bis 2002. Heute liegt die Ortschaft in der oberösterreichischen Gemeinde St. Pantaleon etwas im Abseits. Mit dem 195 Hektar großen Gut Wildshut verfügt Stiegl dort über ein lebendiges Labor, in dem gearbeitet, experimentiert und viel nachgedacht wird. „Es ist ein Ort der Inspiration“, schwärmt Thomas Reuter, der Chefeinkäufer von Österreichs größter Privatbrauerei. Zu seinen Aufgaben gehört auch, dass er sich um das Thema Nachhaltigkeit kümmert. Was oft als Schlagwort missbraucht wird, hat bei Stiegl seit Langem einen hohen Stellenwert. Einen Umweltbericht veröffentlicht das Unternehmen schon seit 25 Jahren. Und für die Nachhaltigkeit gibt es nicht irgendeinen Beauftragten, sondern das Thema ist einer zentralen Abteilung zugeordnet.
Ein Motto, das Brauereibesitzer Kiener für den Musterbetrieb ausgegeben hat, lautet: Kreislaufwirtschaft. Die Stiegler nähern sich dem immer weiter an. Der Strom wird von der Ökostromtochter der Salzburg AG bezogen. Im Energiebereich erfolgte heuer der nächste Schritt. Der Betrieb in Wildshut wird rechnerisch CO2-frei.
Thomas Reuter erklärt, wie das geht: Stiegl erwerbe bei der Salzburg AG Zertifikate für Biogas, die die tatsächlich verbrauchte Menge an Flüssiggas für das Bierbrauen in Wildshut abdecken. Denn beim Brauen wird nicht nur viel Wasser benötigt, sondern zum Keimen des Getreides (Mälzen), zum Rösten des Malzes und vor allem zum Aufheizen des Biersuds auch viel Energie. In die beim Strom gebräuchliche Einheit Kilowattstunde umgerechnet, benötige Wildshut rund 110.000 kWh pro Jahr, erläutert Reuter. Tatsächlich verbraucht werde die Energie vor allem beim Wellpappe-Hersteller Mosburger in Straßwalchen. Natürlich nehme man dabei höhere Kosten in Kauf, „aber es ist unser Beitrag zur Erhaltung einer gesunden Ernährung“.
Das Biogas stammt aus der Anlage Graskraft in Steindorf bei Straßwalchen. Dieser Genossenschaft gehören 63 Bauern an. Sie liefern Gras von rund 300 Hektar Fläche, bei dessen Vergärung Methan entsteht. „Das Biomethan ist physikalisch ident mit Erdgas, aber unseres ist rund 100 Millionen Jahre jünger“, sagt Peter Stiegler, Vorstandsmitglied bei Graskraft. Er betont, bei Gas sei es wie bei Strom, es habe kein Mascherl. Daher sei die Einspeisung ins Netz möglich und es gebe Aufschläge eben auch für Biomethan wie etwa für Ökostrom.
Aus Wiesengras werden in Steindorf pro Stunde etwa 250 Kubikmeter Gas erzeugt. Davon werden rund 70 Prozent in das Erdgasnetz der Salzburg AG eingespeist, aus einem Fünftel wird Wärme erzeugt, zehn Prozent dienen der Stromerzeugung. Die Gesamtleistung von 1,5 Megawatt vergleicht Stiegler mit der eines mittleren Biomasseheizwerks. Aus einem Hektar Gras gewinnt die Graskraft so viel Biogas, wie für eine Fahrleistung von 40.000 Kilometern mit einem Pkw benötigt wird. Bei Biosprit aus Getreide sei die Relation wesentlich schlechter, sagt der Energieexperte.
Allerdings verfolgt Österreichs größte Privatbrauerei auch Pläne, bei ihrer Zentrale in SalzburgMaxglan eine Biogasanlage zu errichten. Dabei soll die Energie aus Abwässern der Brauerei gewonnen werden. Reuter: „Derzeit läuft die Grobplanung dafür.“Das Projekt werde einige Millionen Euro kosten, der Bau ist für die Jahre 2019/20 vorgesehen. Derzeit landen die Abwässer von Stiegl in der Kläranlage des Reinhalteverbands Großraum Salzburg in Bergheim-Siggerwiesen. Dort wird Methangas erzeugt, aus dem wiederum Strom und Wärme gewonnen werden. Einen Teil davon will Stiegl künftig selbst herstellen. Dadurch soll ein Viertel des bisherigen Gasverbrauchs von umgerechnet 20 Mill. kWh eingespart werden.
Andere Dinge wie die Nutzung der Abwärme seien bei Stiegl ausgereizt, sagt Reuter. Es gibt eine Reihe von Beispielen für möglichst ressourcenschonendes Wirtschaften. So landen die Etiketten von den Mehrwegflaschen nach der Reinigung nicht auf dem Müll, sondern werden von der Firma Reststofftechnik in Henndorf weiterverarbeitet, die zur Holding von Peter Daniell Porsche gehört. In Österreich könne dieses Material nicht als Altpapier verwertet werden, in Deutschland aber schon, sagt Reuter. Aus Stiegl-Etiketten würden so etwa TV-Programmzeitschriften.
Ein weiteres Projekt betrifft die Verwertung von Kieselgur. Dieses Pulver aus fossilen Algen verwenden die Brauer zum Filtern des Gerstensafts. Bei Stiegl werden im Jahr mehr als 440 Tonnen davon benötigt. Gemeinsam mit dem bekannt innovativen Lehrer Konrad Steiner von der Landwirtschaftsschule in Elixhausen-Ursprung wird daran gearbeitet, die Kieselgur mit Gülle und Stroh zu kompostieren, um letztlich mit dem Humus eine Bodenverbesserung zu erreichen. „Ohne den Kreislaufgedanken hätten wir nie daran gedacht“, sagt Stiegl-Manager Reuter.