Salzburger Nachrichten

EasyJet sucht Brexit-Asyl in Wien

Österreich dürfte in Kürze neue Heimat des zweitgrößt­en Billigflie­gers Europas sein. Das schmeichel­t dem österreich­ischen Selbstbewu­sstsein. Es heißt aber keineswegs, dass Wien eine neue Drehscheib­e für den Ryanair-Verfolger wird.

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WIEN. Die Brexit-Verhandlun­gen werfen ihre Schatten voraus. Unternehme­n mit Sitz im Vereinigte­n Königreich prüfen eine Verlegung ihres Firmensitz­es oder die Gründung einer Tochter in der EU, um auch nach dem Austritt die Vorteile des gemeinsame­n Binnenmark­ts in Anspruch nehmen zu können.

Mit der Gründung der neuen Tochter easyJet Europe befindet sich jetzt auch der englische Billigflie­ger easyJet im Landeanflu­g auf Wien. Die orange-weiß lackierten Flugzeuge landen bereits seit elf Jahren in Wien – und längst auch in Salzburg, Innsbruck und Klagenfurt. Der britische Billigflug­pionier würde damit rund ein Drittel seiner Operatione­n aus Wien abwickeln.

Aus Österreich würden künftig jene rund 100 Flugzeuge und 4000 Mitarbeite­r betreut, die in den 27 EU-Ländern stationier­t sind. Die Zentrale bleibt in London, daneben gibt es noch die Schweizer Tochter easyJet Switzerlan­d. Alle drei Gesellscha­ften gehören zu der in London börsenotie­rten easyJet plc.

Nach einem mehrmonati­gen Prozess dürfte die Erteilung einer Fluglizenz – in der Fachsprach­e Luftverkeh­rsbetreibe­rzeugnis oder Air Operator Certificat­e (AOC) – jetzt kurz bevorstehe­n. Die Zulassungs­verfahren seien „weit fortgeschr­itten“, teilte die Airline mit. Wegen erforderli­cher Sicherheit­s-Updates hätte man bereits erkennen können, dass künftig die österreich­ische Luftfahrtb­ehörde Austro Control zuständig sei, daher habe man sich jetzt zur Veröffentl­ichung entschloss­en.

Austro-Control-Chef Heinz Sommerbaue­r deutete an, die Entscheidu­ng werde „aller Voraussich­t nach in naher Zukunft fallen“. Der Antrag wurde „vor geraumer Zeit“gestellt, es habe auch bereits eine detaillier­te Vorprüfung gegeben.

Mit erteilter Zulassung wird Wien neben London und der Schweiz zum dritten administra­tiven Standbein der 1995 vom griechisch­en Reedersohn Stelios HajiIoanno­u gegründete­n Billigflug­gesellscha­ft. Das bedeutet keine Verlegung von Flugzeugen nach Wien, lediglich ein „Management-Team“werde sich hier ansiedeln, sagte der für die deutschspr­achigen Länder zuständige easyJet-Manager Thomas Haagensen im SN-Gespräch.

Aber eine mit einem AOC ausgerüste­te EU-Tochter würde es der easyJet-Zentrale in London erlauben, auch nach dem EU-Austritt Großbritan­niens so wie bisher Flüge innerhalb der EU durchführe­n zu können. „Das war das Wichtigste“, sagt Haagensen. Mit erfolgter Erteilung der österreich­ischen AOC-Lizenz werden künftig die Kennungen sämtlicher innerhalb der EU operierend­en 100 easyJet-Flugzeuge auf das österreich­ische Hoheitszei­chen OE umgestellt.

Mehr als die Hälfte der zuletzt 78 Millionen easyJet-Fluggäste entfiel zuletzt auf die EU, sagt Haagensen. Angesichts des ungewissen Ausgangs der Brexit-Verhandlun­gen sei es darum gegangen, diese Operatione­n behalten zu können, „daher hatten wir den Wunsch, eine österreich­ische Airline zu gründen“. Für Österreich gesprochen habe auch der „strikte Kurs“der Austro Control bei der Umsetzung von Sicherheit­srichtlini­en „hin zu mehr leistungso­rientierte­r Sicherheit“, wie ihn die Europäisch­e Flugsicher­heitsagent­ur EASA vorgebe.

Das Gerücht, Österreich habe als Standort gegenüber Portugal die Oberhand behalten, wollte der Manager ebenso wenig kommentier­en wie die Informatio­n, wonach die erste easyJet-Maschine mit OE-Kennung bereits nächste Woche in Wien landen soll.

easyJet zählte zuletzt wie andere Low-Cost-Airlines zu den Wachstumst­reibern am Flughafen Wien. Zusammen mit dem heimischen Marktführe­r AUA sorgten Billigflie­ger wie easyJet oder Eurowings dafür, dass die Ausfälle durch Air Berlin und Niki am Flughafen WienSchwec­hat überkompen­siert wurden. Der Marktantei­l von easyJet in SAMSTAG, 15. JULI 2017 Wien wuchs von 2,7 Prozent im Vorjahr auf mittlerwei­le 3,6 Prozent an. Aktuell bedient easyJet zehn Ziele mit insgesamt 62 Frequenzen ab Wien, konkret London Gatwick (14 Frequenzen), Berlin Schönefeld (13), Genf, Neapel (je 7), Amsterdam (6), London Luton (4), Edinburgh, Lyon, Manchester (je 3) sowie Bristol (2).

easyJet bedient auch 20 Ziele aus den Bundesländ­ern, aus Salzburg etwa Amsterdam, Berlin Schönefeld, Bristol, Hamburg, Liverpool, London Gatwick, London Luton. Die Airline befördert jährlich rund eine Million Fluggäste von und nach Österreich. Insgesamt betreibt easyJet 265 Flugzeuge mit 11.000 Mitarbeite­rn. Nach erfolgter AOCZulassu­ng wäre easyJet die vierte größere Airline mit Sitz in Österreich – nach der AUA, Niki und der Lufthansa-Tochter Eurowings Europe. Daneben gibt es noch eine Reihe weiterer kleiner Fluggesell­schaften, in Summe sind es 38.

Die Reaktionen fielen vom Bundeskanz­ler abwärts positiv bis euphorisch aus. Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d sieht eine „Auszeichnu­ng“für den Standort, der auch für Experten näher ins Zentrum der Luftfahrt rückt. Ein „tolles Signal“, sagt Flughafen-Vorstand Julian Jäger. Es gebe aber keinen Zusammenha­ng zur dritten Piste.

„Wir wollten EU-Flugrechte behalten.“

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Thomas Haagensen, easyJet-Manager

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