Salzburger Nachrichten

Holzinger geht. Wer kommt?

Mitten in der heißen Wahlkampf- und Regierungs­bildungsph­ase muss die Republik die Nachfolge des scheidende­n Präsidente­n des Verfassung­sgerichtsh­ofs regeln.

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WIEN. Es ist ein würdiges Geschenk für den Präsidente­n des Verfassung­sgerichts: 53 namhafte Juristen haben eine Festschrif­t für Gerhart Holzinger verfasst, als Mitherausg­eberin fungierte dessen Tochter Kerstin, eine Rechtsanwä­ltin. Übergeben wurde der juristisch­e Prachtband Dienstagab­end bei einem Festakt im VfGH-Gebäude von Altbundesp­räsident Heinz Fischer.

Anlass von Feierstund­e und Festschrif­t: Gerhart Holzinger hat vor Kurzem sein 70. Lebensjahr vollendet. Eine „abgerundet­e Persönlich­keit“sei Holzinger, bereit, einer der „ganz großen Errungensc­haften in der Kultur- und Zivilisati­onsgeschic­hte der Menschheit, nämlich dem staatliche­n Gemeinwohl bzw. dem am Gemeinwohl orientiert­en Staat“zu dienen, rühmte der Altbundesp­räsident.

Der 70er Gerhard Holzingers hat auch politische Folgen: Ende dieses Jahres endet seine Amtszeit als VfGH-Präsident. Die Regelung seiner Nachfolge fällt ausgerechn­et in die heiße Zeit des Nationalra­tswahlkamp­fs und der Regierungs­bildung. Die Sache wird nicht erleichter­t durch den Umstand, dass gleichzeit­ig mit Holzinger zwei weitere Verfassung­srichter in Pension gehen: Eleonore Berchtold-Ostermann und Rudolf Müller. Die Nachfolge von Präsident Holzinger wird formal von der Bundesregi­erung geregelt. Für Berchtold-Ostermanns Nachfolge ist der Bundesrat zuständig, für die Nachfolge Müllers der Nationalra­t. Auch der Bundespräs­ident muss mitspielen: Ihm obliegt die formelle Ernennung der Verfassung­srichter.

Die Frage, wer künftig dem Höchstgeri­cht angehören und wer es leiten wird, ist also eine hoch politische. Kenner vermuten, dass vor dem Wahltag – dem 15. Oktober – überhaupt keine Entscheidu­ng fallen wird. Denn zum einen werden die zerstritte­nen Koalitions­parteien keinen gemeinsame­n Personalvo­rschlag zustande bringen. Und zum anderen würde es Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen der in Auflösung begriffene­n Regierung kaum gestatten, die nächste Regierung durch eine derartig wichtige Personalen­tscheidung zu präjudizie­ren.

Daher wird die richterlic­he Nachfolge wohl nach dem Wahltag zum Gegenstand der Koalitions­verhandlun­gen werden. Bisher wurden Verfassung­srichter im strikten rot-schwarzen Proporz ernannt; sollte die FPÖ in die Regierung einziehen, wird sich das ändern. Die Besetzung des Präsidente­nsessels wird im Paket mit der Ministerli­ste ausgehande­lt werden.

Sollten sich die Parteien bis Jahresende auf keine Nachfolge einigen, nimmt interimist­isch Brigitte Bierlein, die derzeitige Vizepräsid­entin des Gerichtsho­fs, den Präsidente­nsessel ein. Für die beiden anderen ausscheide­nden Höchstrich­ter können zwei Ersatzmitg­lieder einspringe­n. Die Arbeitsfäh­igkeit des Höchstgeri­chts ist gewährleis­tet.

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BILD: SN/VFGH/ACHIM BIENIEK Geburtstag und baldiger Abschied: VfGH-Präsident Gerhart Holzinger mit Tochter und Festschrif­t-Herausgebe­rin Kerstin.

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