Olympia braucht Tirol. Nicht umgekehrt.
Dass Tirol ein idealer Gastgeber für Winterspiele wäre, ist unbestritten. Nur: Will man das hier überhaupt noch?
Offenbar hatten die Auftraggeber der Studie einen besonders guten Draht zum Wettergott: Denn wer bei 30 Grad Sommerhitze eine Machbarkeitsstudie über Olympische Winterspiele im fernen Jahr 2026 präsentiert, der kann sicher sein, dass wirklich nur ein paar Insider genauer hinschauen. Zumal die Studie über eine mögliche Tiroler Bewerbung auch wenig Überraschendes enthalten hat: Ja, Tirol eignet sich für Olympische Winterspiele. Wow, was für eine Erkenntnis, will man spontan ausrufen.
Dennoch lohnt sich ein zweiter Blick. Denn allein die Begierde überrascht: Bis vor Kurzem galten die Spiele als ausufernder Moloch, der die Veranstalter ins finanzielle Chaos stürzt und Stadionruinen hinterlässt. Dazu seien die Sportler nur mehr Staffage für die Geschäftemacherei (des IOC, wohlgemerkt), polterte vor nicht allzu langer Zeit noch Ski-Präsident Peter Schröcksnadel. Und dass es das IOC mit der Einhaltung von Menschenrechten ja auch nicht so genau nimmt, das hat auch jene an dem Unterfangen erregt, denen ansonsten die Medaillen-Entscheidungen im Biathlon und Langlauf völlig egal sind. Aber plötzlich ist alles anders, Schröcksnadel ein neuer Freund von Olympia, Tirol der perfekte Gastgeber und die Spiele eine nachhaltige Sache, an der sich selbst Tirols Grüne nicht stören.
Woher der Sinneswandel kommt? Nun, das hat mit dem untrüglichen Gespür des altbekannten Taktikers Schröcksnadel zu tun. Er weiß, dass Olympia mittlerweile Tirol weitaus dringender braucht als umgekehrt. Nach teils kuriosen Bewerbungen und den Vergaben nacheinander an Sotschi 2014, Pyeongchang, wo man entlang der Grenze zu Nordkorea im kommenden Februar ein unbeschwertes Sportfest feiern will, und Peking 2022 stehen die Herren der Ringe schwer unter Druck: Man braucht für 2026 dringend einen Bewerber aus dem Alpenraum oder aus Skandinavien und nicht schon wieder einen aus Kasachstan. Doch der ist (fast) nicht mehr zu finden: In St. Moritz hat die Bevölkerung die Kandidatur erst im Februar abgelehnt, obwohl die Abstimmung noch während der Ski-WM stattfand, um gute Stimmung zu machen. Stockholm ist im April ausgestiegen, weil die Kosten nicht absehbar waren. „Offenbar bin ich die Einzige, die Olympia mag“, sagte Bürgermeisterin Karin Wanngård. Das wird die größte Gefahr für die Tiroler Olympia-Bewegung: dass man den idealen Zeitpunkt erwischt hat, aber einfach keine Unterstützung mehr dafür in der Bevölkerung bekommt. Die Befragung am 15. Oktober wird es zeigen.