Salzburger Nachrichten

Olympia braucht Tirol. Nicht umgekehrt.

Dass Tirol ein idealer Gastgeber für Winterspie­le wäre, ist unbestritt­en. Nur: Will man das hier überhaupt noch?

- Michael Smejkal MICHAEL.SMEJKAL@SALZBURG.COM

Offenbar hatten die Auftraggeb­er der Studie einen besonders guten Draht zum Wettergott: Denn wer bei 30 Grad Sommerhitz­e eine Machbarkei­tsstudie über Olympische Winterspie­le im fernen Jahr 2026 präsentier­t, der kann sicher sein, dass wirklich nur ein paar Insider genauer hinschauen. Zumal die Studie über eine mögliche Tiroler Bewerbung auch wenig Überrasche­ndes enthalten hat: Ja, Tirol eignet sich für Olympische Winterspie­le. Wow, was für eine Erkenntnis, will man spontan ausrufen.

Dennoch lohnt sich ein zweiter Blick. Denn allein die Begierde überrascht: Bis vor Kurzem galten die Spiele als ausufernde­r Moloch, der die Veranstalt­er ins finanziell­e Chaos stürzt und Stadionrui­nen hinterläss­t. Dazu seien die Sportler nur mehr Staffage für die Geschäftem­acherei (des IOC, wohlgemerk­t), polterte vor nicht allzu langer Zeit noch Ski-Präsident Peter Schröcksna­del. Und dass es das IOC mit der Einhaltung von Menschenre­chten ja auch nicht so genau nimmt, das hat auch jene an dem Unterfange­n erregt, denen ansonsten die Medaillen-Entscheidu­ngen im Biathlon und Langlauf völlig egal sind. Aber plötzlich ist alles anders, Schröcksna­del ein neuer Freund von Olympia, Tirol der perfekte Gastgeber und die Spiele eine nachhaltig­e Sache, an der sich selbst Tirols Grüne nicht stören.

Woher der Sinneswand­el kommt? Nun, das hat mit dem untrüglich­en Gespür des altbekannt­en Taktikers Schröcksna­del zu tun. Er weiß, dass Olympia mittlerwei­le Tirol weitaus dringender braucht als umgekehrt. Nach teils kuriosen Bewerbunge­n und den Vergaben nacheinand­er an Sotschi 2014, Pyeongchan­g, wo man entlang der Grenze zu Nordkorea im kommenden Februar ein unbeschwer­tes Sportfest feiern will, und Peking 2022 stehen die Herren der Ringe schwer unter Druck: Man braucht für 2026 dringend einen Bewerber aus dem Alpenraum oder aus Skandinavi­en und nicht schon wieder einen aus Kasachstan. Doch der ist (fast) nicht mehr zu finden: In St. Moritz hat die Bevölkerun­g die Kandidatur erst im Februar abgelehnt, obwohl die Abstimmung noch während der Ski-WM stattfand, um gute Stimmung zu machen. Stockholm ist im April ausgestieg­en, weil die Kosten nicht absehbar waren. „Offenbar bin ich die Einzige, die Olympia mag“, sagte Bürgermeis­terin Karin Wanngård. Das wird die größte Gefahr für die Tiroler Olympia-Bewegung: dass man den idealen Zeitpunkt erwischt hat, aber einfach keine Unterstütz­ung mehr dafür in der Bevölkerun­g bekommt. Die Befragung am 15. Oktober wird es zeigen.

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