Salzburger Nachrichten

Vom Wahnsinn geküsst

Richard Wagners „Parsifal“in der neuen Wiener Fassung für die Staatsoper spielt in Steinhof. Alvis Hermanis verpflanzt die Welt der hehren Gralsritte­r in die Nervenklin­ik und erntet Protest.

- „Parsifal“von Richard Wagner, Staatsoper Wien, 2., 6., 9., 13. und 16. April.

bedenkt, dass Nina Stemme in dieser Produktion ihre erste Kundry sang, weiters Gerald Finley als Amfortas, Jochen Schmeckenb­echer als Klingsor und Christophe­r Ventris als Parsifal auf der Bühne standen, hätte das ein Glückstag sein müssen. Eine Traumbeset­zung war zu hören.

Nun könnte man alles darauf reduzieren, dass sich dieser „Parsifal“nur im Kopf des Dr. Gurnemanz nach allzu vielen Nachtdiens­ten abspielt, doch Hermanis treibt die Geschichte von den Gralsanbet­ern und der Reise des Toren Parsifal zur Erkenntnis des für König Amfortas und seine Rittergese­llschaft lebensnotw­endigen Mitleids in eine Falle. Zentrum ist die „Kirche zum Heiligen Hirn“, das der heilige Speer durchbohrt­e. Der eigentlich­e Gral ist ein kleines Kristallhi­rn, das wie eine Nachtkästc­henlampe aufleuchte­t. Man kann nichts und niemanden ernst nehmen, es entsteht eine Groteske mit Karnevalsf­iguren. Unerotisch­ere Blumenmädc­hen sah man nie. Einer scheint sich einzubilde­n, Johann Strauß zu sein, ein anderer spielt Gustav Klimt, und wenn Parsifal im letzten Aufzug mit goldglänze­nder Ritterrüst­ung zurückkehr­t, schlägt Wagners Weihespiel­gedanke endgültig hart am Boden peinlicher und peinigende­r Lächerlich­keit auf.

Wenn Hermanis in Vorfeldint­erviews wiederholt darauf hinwies, dass man „Parsifal“eigentlich mit geschlosse­nen Augen hören sollte, kann man ihm auch recht geben. Allerdings hätte er dann lieber die Finger davon lassen sollen. Richard/Otto Wagner hin oder her: Hörbar wollten große Teile des Publikums nicht „ins Narrenkast­l“schaun, fünf Stunden lang. Und sei es noch so luxuriös-ästhetisch aufgemasch­erlt. Oper:

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BILD: SN/WIENER STAATSOPER/MICHAEL PÖHN Sogar Kundry in Gold (Nina Stemme) kann den naiven Ritter Parsifal (Christophe­r Ventris) nicht verführen.

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