Geschrumpft zur Prinzessin des Käseladens
Maeve, eine junge Frau, führt ein unaufgeregtes Leben nahe zur Langeweile. Davon lässt eine Erzählerin von Anspruch eigentlich die Finger. Was spielt sich schon ab im Alltag einer Käseverkäuferin, die tüchtig ihren Job erledigt, aber zu den Kunden möglichst auf Distanz geht? Für eine oberflächliche Beobachterin war’s das schon. Andrea Laube-Stift sieht das anders.
Die steirische Schriftstellerin, geboren 1976, überlässt der jungen Frau selbst das Wort. Und diese bemerkt, dass sich der Berg – es handelt sich wohl um den Grazer Schlossberg – auf sie zubewegt. Niemand anderer registriert das. Einbildung oder der sechste Sinn?
Mit solcher Sensibilität ist Maeve zuzutrauen, dass sie durchsteht, was sich in den Mythen Irlands abspielt. Sie führt ein unsichtbares Doppelleben, in dem sich Grausamkeiten des Sagenlandes – wie jene der irischen Königin – unter anderen Voraussetzungen wiederholen. Früher ließ eine Königin Kriege führen, nur um das Ego zu streicheln. Sie erhob Besitzanspruch auf den mächtigen Stier eines Königs von nebenan, dafür war sie zum großen Töten bereit. Heute bringt eine ihren Mann um – aus guten Gründen, denn er hat sie gedemütigt. Aus einer Staatsaffäre wird ein Ehedrama. Maeve erledigt das mit dem Ernst einer Rachegöttin, für die sich die Frage nach der Moral nicht stellt. Sie ist Herrin über Leben und Tod, und wenn das andere nicht so sehen, kümmert sie das gar nicht.
Die Maeve aus dem Computerzeitalter hält sich lieber im wenig vernunftgesteuerten, dafür unberechenbaren Mythos auf. Sie empfindet Nähe zu Krähen, schnitzt aus Käse Figuren, mit denen sie Schlachtszenen aus irischer Überlieferung nachstellt. Die Natur wird ihr zum Gegenentwurf der Zivilisation, der sie misstraut. Das klingt nach einer Feier der Rückständigkeit, stimmt aber nicht. Dazu ist Andrea Stift-Laube zu ironisch begabt.
Im Vergleich zur einschüchternden Größe der Mythen entbehrt die Maeve von heute der Erhabenheit einer Königin. Es reicht nicht einmal zur Provinzheldin, würde das doch eine Wirkung über das Wohnzimmer hinaus notwendig machen. Die Prinzessin des Käseladens aber agiert im Verborgenen. Sie ist die kleinlaute Spießerversion einer einstigen Dynastiendiva.
Ein Chor von drei Schwestern begleitet rhetorisch das Treiben der etwas plumpen Rächerin des Unrechts. Sie sind resignativ geworden, diese Stimmen aus dem Off: „Aber unsere Mahnungen wurden schon so oft überhört. Wir sind bloß ein Chor.“Am Ende werden sie zu lebenspraktischen Helferlein, um den ermordeten Gatten stilgerecht im Garten zu entsorgen.
Der Mythos reicht jetzt allenfalls für eine Schmalspurtragödie mit zweifelhaften Charakteren. Er wird heruntergebrochen auf Kleinbürgermaß. Das ist entwaffnend ehrlich – und eigentlich traurig. Buch: