EU denkt über Beschränkung des Zahlens mit Bargeld nach
Die EU-Kommission hat einen Aktionsplan zum Bargeld veröffentlicht und startet eine öffentliche Konsultation. In Deutschland wird mit dem Thema Wahlkampf betrieben.
Die Sache klingt unscheinbar. Das Thema ist aber höchst emotional. Die EU-Kommission hat Ende Jänner einen Aktionsplan auf ihrer Homepage veröffentlicht, in dem sie der Frage nachgeht, ob Regelungen bei hohen Bargeldbeträgen auf EUEbene notwendig sind, und stellt einen Gesetzesvorschlag für 2018 in Aussicht. „Barzahlungen sind bei der Terrorfinanzierung weit verbreitet“, heißt es in dem Aktionsplan der Brüsseler Behörde. Daher lohne es, über Obergrenzen für Bargeldgeschäfte nachzudenken. In einer Reihe von Ländern gibt es bereits derartige Grenzen. Für eine europaweit einheitliche Obergrenze gibt es einige Zustimmung. Doch vor allem in Deutschland hält sich die Begeisterung in Grenzen. Dort hat sich die Kanzlerin-Partei CDU klar für den Weiterbestand des Bargelds ausgesprochen. Man fürchtet, Obergrenzen könnten der Anfang vom Ende des Bargelds sein. Noch im März startet die EU-Kommission eine um- fassende öffentliche Konsultation. Daran anschließend sei eine Studie geplant, in die diese Ergebnisse einfließen würden, heißt es.
Die Österreicher sind trotz zunehmender Digitalisierung Bargeldfans. Nur 20 Prozent der Transaktionen werden hierzulande bargeldlos erledigt.
Die Partei von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel hat ihre Liebe zum Bargeld entdeckt. „Wir erachten die Möglichkeit jedes Bürgers, nach eigenem Willen auch mit Bargeld zu zahlen, als ein unverzichtbares Merkmal einer freiheitlichen, bürgerschaftlich verfassten Gesellschaft“, heißt es in einem Papier, das der Ausschuss für Finanzen, Wirtschaft und Energie als Beitrag zum Wahlprogramm der CDU verfasst hat. „Die weitere Nutzung unseres Bargelds als Zahlungsmittel steht daher nicht zur Disposition.“Schon beim CDU-Parteitag im Dezember gab es Kritik an der Bargeldobergrenze von 5000 Euro, die ihr Parteigenosse und Finanzminister Wolfgang Schäuble präferiert.
Der Pro-Bargeld-Linie der CDU wird in deutschen Medien als Versuch gesehen, auf SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz mit einem populären Thema zu reagieren. Möglicherweise richtet sich die Initiative auch gegen die AfD, die sich um das Bargeld sorgt und vor geheimen Plänen zur Abschaffung warnt.
Nun bekommen die Bargeldverteidiger neue Nahrung aus Brüssel. Die EU-Kommission hat Ende Jänner einen Aktionsplan auf ihrer Homepage veröffentlicht, in dem sie der Frage nachgeht, ob Regelungen bei hohen Bargeldbeträgen auf EU-Ebene notwendig sind, und stellt einen Gesetzesvorschlag für 2018 in Aussicht. Warum „der Vorschlag für eine EU-Initiative zur Einschränkung von Barzahlungen“nicht aktiv beworben wurde, hat laut Kommissions-Kreisen damit zu
„Für den Euroraum gilt daher: Bares bleibt Wahres.“ Yves Mersch, EZB-Direktorium
tun, dass es sich nur um eine erste Bestandsaufnahme zum Thema handelt. Die bisherigen Erhebungen hätten ergeben, dass hier weitergemacht werden sollte, heißt es. Noch im März startet zunächst eine umfassende öffentliche Konsultation. Daran anschließend sei eine detaillierte Studie geplant, in die diese Ergebnisse einfließen werden.
Das Hauptargument der EUKommission, warum anonyme Zahlungen mit großen Bargeldbeträgen eingeschränkt werden sollten, ist der Kampf gegen Terrorfinanzierung und Geldwäsche. EU-weit gelten deshalb bereits strenge Melderegeln für Cash-Beträge über 15.000 Euro (ab Juni 10.000 Euro). Darüber hinaus lässt die EZB den 500-EuroSchein auslaufen. EU-weit einheitliche Obergrenzen für Barzahlungen gibt es allerdings bisher nicht.
Diese würden jedoch kriminellen Netzwerken und Terroristen die Finanzierung ihrer illegalen Aktivitäten erschweren oder sie verhindern und Untersuchungen erleichtern, heißt es im Papier der Brüsseler Behörde. Konkrete Zahlen, wie viel Bargeld illegal den Besitzer wechselt, gibt es nicht, räumt die EUKommission ein, Schätzungen gingen in die Hunderte Milliarden.
Etliche EU-Staaten haben bereits Obergrenzen für Barzahlungen eingeführt, sie liegen in Frankreich bei 1000 Euro, in Italien bei 3000 Euro. Allerdings hängen nicht alle EUBürger so sehr an Scheinen und Münzen wie etwa Deutsche, Österreicher oder Schweizer. Während in Skandinavien mittlerweile mehr als 90 Prozent der Transaktionen bargeldlos erledigt werden, sind es in Österreich nur rund 20 Prozent.
Mit der Digitalisierung setzen sich aber neue Bezahlformen, etwa mittels Mobiltelefon, immer mehr durch und verstärken den Trend in Richtung bargeldloses Bezahlen.
Die Europäische Zentralbank wollte die Überlegungen der EUKommission nicht kommentieren, weil dies nicht in ihre Kompetenz falle. Zur Frage, ob Bargeld generell eingeschränkt werden könnte, verweist man in Frankfurt auf Aussagen von Direktoriumsmitglied Yves Mersch rund um die Debatte zur Abschaffung des 500-Euro-Scheins im Vorjahr. Die Entscheidung sei „in einem Umfeld gefällt worden, in dem Bargeld per se kritisch hinterfragt wird“, schrieb er damals in einem Gastbeitrag im „Spiegel“. Die Argumente der Bargeldgegner hätten aber nicht überzeugen können. „Dass Kriminelle sich über Mobiltelefone abstimmen, würde niemanden ernsthaft auf die Idee bringen, alle Handys zu verbieten“, sagte Mersch damals. „In der Eurozone werden wir sicher auf den 500-Euro-Schein verzichten können. Bargeld per se abzuschaffen steht jedoch nicht auf der Tagesordnung.“
Zu den heftigsten Bargeldkritikern gehört mittlerweile der amerikanische Star-Ökonom Kenneth Rogoff, der auch ein Buch („Der Fluch des Bargelds“) geschrieben hat. Sein Argument: Bargeld verhindert, dass die Zentralbanken die Wirtschaft mit Negativzinsen ankurbeln können. Zudem diene es der Steuerhinterziehung. Die Kreditwirtschaft wiederum drängt auf eine Bargeldreduktion, weil das Lagern, die Geldausgabe und die Logistik hohe Kosten verursachen.
Das Hauptargument der Bargeldverfechter ist der Verlust von Privatsphäre, wenn alle Zahlungen elektronisch stattfinden. Die EU-Kommission sieht in der Beschränkung von Barzahlungen keinen Verstoß gegen das in Artikel 7 der EUGrundrechte-Charta festgeschriebene Recht auf Privatheit. Denn es sei erlaubt, diese aus Gründen des öffentlichen Interesses einzuschränken. Außerdem sei es bisher in keinem EU-Mitgliedsland gelungen, die Obergrenzen als Grundrechtsverletzung anzufechten.
Laut EU-Kommission müssten Obergrenzen auch für anonymes Zahlen im Netz mit Krypto- oder Tauschwährungen gelten, die von einer Beschränkung der Bargeldzahlungen profitieren könnten.