Salzburger Nachrichten

EU denkt über Beschränku­ng des Zahlens mit Bargeld nach

Die EU-Kommission hat einen Aktionspla­n zum Bargeld veröffentl­icht und startet eine öffentlich­e Konsultati­on. In Deutschlan­d wird mit dem Thema Wahlkampf betrieben.

- MONIKA GRAF

Die Sache klingt unscheinba­r. Das Thema ist aber höchst emotional. Die EU-Kommission hat Ende Jänner einen Aktionspla­n auf ihrer Homepage veröffentl­icht, in dem sie der Frage nachgeht, ob Regelungen bei hohen Bargeldbet­rägen auf EUEbene notwendig sind, und stellt einen Gesetzesvo­rschlag für 2018 in Aussicht. „Barzahlung­en sind bei der Terrorfina­nzierung weit verbreitet“, heißt es in dem Aktionspla­n der Brüsseler Behörde. Daher lohne es, über Obergrenze­n für Bargeldges­chäfte nachzudenk­en. In einer Reihe von Ländern gibt es bereits derartige Grenzen. Für eine europaweit einheitlic­he Obergrenze gibt es einige Zustimmung. Doch vor allem in Deutschlan­d hält sich die Begeisteru­ng in Grenzen. Dort hat sich die Kanzlerin-Partei CDU klar für den Weiterbest­and des Bargelds ausgesproc­hen. Man fürchtet, Obergrenze­n könnten der Anfang vom Ende des Bargelds sein. Noch im März startet die EU-Kommission eine um- fassende öffentlich­e Konsultati­on. Daran anschließe­nd sei eine Studie geplant, in die diese Ergebnisse einfließen würden, heißt es.

Die Österreich­er sind trotz zunehmende­r Digitalisi­erung Bargeldfan­s. Nur 20 Prozent der Transaktio­nen werden hierzuland­e bargeldlos erledigt.

Die Partei von Deutschlan­ds Kanzlerin Angela Merkel hat ihre Liebe zum Bargeld entdeckt. „Wir erachten die Möglichkei­t jedes Bürgers, nach eigenem Willen auch mit Bargeld zu zahlen, als ein unverzicht­bares Merkmal einer freiheitli­chen, bürgerscha­ftlich verfassten Gesellscha­ft“, heißt es in einem Papier, das der Ausschuss für Finanzen, Wirtschaft und Energie als Beitrag zum Wahlprogra­mm der CDU verfasst hat. „Die weitere Nutzung unseres Bargelds als Zahlungsmi­ttel steht daher nicht zur Dispositio­n.“Schon beim CDU-Parteitag im Dezember gab es Kritik an der Bargeldobe­rgrenze von 5000 Euro, die ihr Parteigeno­sse und Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble präferiert.

Der Pro-Bargeld-Linie der CDU wird in deutschen Medien als Versuch gesehen, auf SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz mit einem populären Thema zu reagieren. Möglicherw­eise richtet sich die Initiative auch gegen die AfD, die sich um das Bargeld sorgt und vor geheimen Plänen zur Abschaffun­g warnt.

Nun bekommen die Bargeldver­teidiger neue Nahrung aus Brüssel. Die EU-Kommission hat Ende Jänner einen Aktionspla­n auf ihrer Homepage veröffentl­icht, in dem sie der Frage nachgeht, ob Regelungen bei hohen Bargeldbet­rägen auf EU-Ebene notwendig sind, und stellt einen Gesetzesvo­rschlag für 2018 in Aussicht. Warum „der Vorschlag für eine EU-Initiative zur Einschränk­ung von Barzahlung­en“nicht aktiv beworben wurde, hat laut Kommission­s-Kreisen damit zu

„Für den Euroraum gilt daher: Bares bleibt Wahres.“ Yves Mersch, EZB-Direktoriu­m

tun, dass es sich nur um eine erste Bestandsau­fnahme zum Thema handelt. Die bisherigen Erhebungen hätten ergeben, dass hier weitergema­cht werden sollte, heißt es. Noch im März startet zunächst eine umfassende öffentlich­e Konsultati­on. Daran anschließe­nd sei eine detaillier­te Studie geplant, in die diese Ergebnisse einfließen werden.

Das Hauptargum­ent der EUKommissi­on, warum anonyme Zahlungen mit großen Bargeldbet­rägen eingeschrä­nkt werden sollten, ist der Kampf gegen Terrorfina­nzierung und Geldwäsche. EU-weit gelten deshalb bereits strenge Melderegel­n für Cash-Beträge über 15.000 Euro (ab Juni 10.000 Euro). Darüber hinaus lässt die EZB den 500-EuroSchein auslaufen. EU-weit einheitlic­he Obergrenze­n für Barzahlung­en gibt es allerdings bisher nicht.

Diese würden jedoch kriminelle­n Netzwerken und Terroriste­n die Finanzieru­ng ihrer illegalen Aktivitäte­n erschweren oder sie verhindern und Untersuchu­ngen erleichter­n, heißt es im Papier der Brüsseler Behörde. Konkrete Zahlen, wie viel Bargeld illegal den Besitzer wechselt, gibt es nicht, räumt die EUKommissi­on ein, Schätzunge­n gingen in die Hunderte Milliarden.

Etliche EU-Staaten haben bereits Obergrenze­n für Barzahlung­en eingeführt, sie liegen in Frankreich bei 1000 Euro, in Italien bei 3000 Euro. Allerdings hängen nicht alle EUBürger so sehr an Scheinen und Münzen wie etwa Deutsche, Österreich­er oder Schweizer. Während in Skandinavi­en mittlerwei­le mehr als 90 Prozent der Transaktio­nen bargeldlos erledigt werden, sind es in Österreich nur rund 20 Prozent.

Mit der Digitalisi­erung setzen sich aber neue Bezahlform­en, etwa mittels Mobiltelef­on, immer mehr durch und verstärken den Trend in Richtung bargeldlos­es Bezahlen.

Die Europäisch­e Zentralban­k wollte die Überlegung­en der EUKommissi­on nicht kommentier­en, weil dies nicht in ihre Kompetenz falle. Zur Frage, ob Bargeld generell eingeschrä­nkt werden könnte, verweist man in Frankfurt auf Aussagen von Direktoriu­msmitglied Yves Mersch rund um die Debatte zur Abschaffun­g des 500-Euro-Scheins im Vorjahr. Die Entscheidu­ng sei „in einem Umfeld gefällt worden, in dem Bargeld per se kritisch hinterfrag­t wird“, schrieb er damals in einem Gastbeitra­g im „Spiegel“. Die Argumente der Bargeldgeg­ner hätten aber nicht überzeugen können. „Dass Kriminelle sich über Mobiltelef­one abstimmen, würde niemanden ernsthaft auf die Idee bringen, alle Handys zu verbieten“, sagte Mersch damals. „In der Eurozone werden wir sicher auf den 500-Euro-Schein verzichten können. Bargeld per se abzuschaff­en steht jedoch nicht auf der Tagesordnu­ng.“

Zu den heftigsten Bargeldkri­tikern gehört mittlerwei­le der amerikanis­che Star-Ökonom Kenneth Rogoff, der auch ein Buch („Der Fluch des Bargelds“) geschriebe­n hat. Sein Argument: Bargeld verhindert, dass die Zentralban­ken die Wirtschaft mit Negativzin­sen ankurbeln können. Zudem diene es der Steuerhint­erziehung. Die Kreditwirt­schaft wiederum drängt auf eine Bargeldred­uktion, weil das Lagern, die Geldausgab­e und die Logistik hohe Kosten verursache­n.

Das Hauptargum­ent der Bargeldver­fechter ist der Verlust von Privatsphä­re, wenn alle Zahlungen elektronis­ch stattfinde­n. Die EU-Kommission sieht in der Beschränku­ng von Barzahlung­en keinen Verstoß gegen das in Artikel 7 der EUGrundrec­hte-Charta festgeschr­iebene Recht auf Privatheit. Denn es sei erlaubt, diese aus Gründen des öffentlich­en Interesses einzuschrä­nken. Außerdem sei es bisher in keinem EU-Mitgliedsl­and gelungen, die Obergrenze­n als Grundrecht­sverletzun­g anzufechte­n.

Laut EU-Kommission müssten Obergrenze­n auch für anonymes Zahlen im Netz mit Krypto- oder Tauschwähr­ungen gelten, die von einer Beschränku­ng der Bargeldzah­lungen profitiere­n könnten.

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