Japan buhlt um die verbliebene Jugend
Überalterte Gemeinden locken junge Zuzügler mit kostenlosem Wohnen und Schulessen.
In Europa und den USA ist Migration auch ein Argument gegen die Überalterung der Gesellschaft. Ohne Migranten würde wohl vieles im täglichen Leben nicht funktionieren.
Einen anderen Weg geht Japan, das infolge seiner tiefen Geburtsrate, bewundernswerter Langlebigkeit und einer abschottenden Einwanderungspolitik das weitaus am stärksten überalterte Land der OECD ist, ja, dessen Bevölkerung schrumpft. Die Zahl der heute 128 Millionen Menschen wird im Jahr 2060 auf 86 Mill. sinken, 40 Prozent davon werden älter als 65 sein.
In vielen Dörfern im ländlichen Japan leben schon heute vorwiegend alte Menschen. Die Jungen haben sich vor Jahren in die Städte aufgemacht. Jetzt ergrauen auch die Vorstädte. Die Vergreisung erreicht ganz neue Ausmaße in Japan.
Japans restriktive Immigrationspolitik wirft ihre Schatten. Gerade Asylsuchende meiden das Land, im Wissen, dass Japan jährlich höchstens eine Handvoll politischer Flüchtlinge aufnimmt. Japans durch und durch homogene Gesellschaft gilt auch für Arbeitsmigranten nicht als das Land, wo Milch und Honig fließen.
Dabei hätte Japan gerade für Altenpflege dringend Hilfe nötig. In Tama, einer Vorstadt von Tokio, werden vermehrt verwirrte alte Menschen aufgegriffen, die ziellos umherwandern. Behörden zufolge wird im Jahr 2025 jeder vierte der älteren Bewohner Tamas bettlägerig sein, und jeder siebte leidet dann an Demenz. Tama gibt bereits zwei Drittel des Budgets für Sozialfürsorge aus – für Menschen, die viel Hilfe beanspruchen und keine Beiträge mehr zahlen.
Auch in Japan werden Steuergelder zwischen Gemeinden umverteilt, was jedoch mitnichten die wachsenden Sozialkosten deckt. Den Gemeinden bleibt, junge Menschen und Familien anzulocken. Im Falle Tamas wurden neue Siedlungen mit mehr Wohnraum errichtet – eine gute Idee, doch es gibt ein Problem: Die Zahl der 20- bis 29Jährigen im Land ist seit dem Jahr 2000 um ein Drittel eingebrochen. Und viele überalterte Gemeinden in Japan sind schlicht schöner zum Wohnen und offerieren mehr als Tama. Der Wettbewerb, junge Menschen anzulocken, ist hart. Gemeinden wie Okutuma, das zwei Fahrstunden von Tokio entfernt am Tama-Fluss in den Bergen liegt, gehen daher noch Schritte weiter, wie der „Economist“berichtete.
Erst offerierte Okutuma jungen Zuzüglern kostenlose Verkehrsmittel, kostenloses Schulessen und kostenlose Impfungen. Nichts half, also wird jetzt kostenloses Wohnen angeboten. Rund 450 Häuser im Ort stehen leer. Um Gebäudesteuern zu vermeiden, sollen Besitzer ihre Häuser an die Gemeinde vermachen, die wiederum die Häuser an junge Paare vermieten will. Wenn sie länger als 15 Jahre in Okutuma leben, wird ihnen die Miete erlassen, während die verwaiste Schule zum internationalen Sprachzentrum für ausländische Studenten umgebaut wird, die Japanisch lernen wollen. Okutuma hofft, dass einige Studierende gleich dortbleiben wollen.
Derweil wächst der Druck auf Japan, Zuwanderung zu erleichtern. Allein bis 2030 fallen acht Millionen Arbeitskräfte weg. „Es ist ein Problem der Demografie“, hatte dazu Premier Shinzo Abe erklärt. „Bevor wir Immigranten oder Flüchtlinge akzeptieren, sollten wir mehr Aktivitäten von Frauen und älteren Menschen haben, und wir müssen unsere Geburtenrate anheben. Es gibt viele Dinge, die wir tun sollten, bevor wir Immigranten akzeptieren.“