Polizei hoch zu Büffel
Warum auf der riesigen Amazonas-Insel Marajó die mächtigen Huftiere die optimalen Dienstwagen für die Exekutive sind.
Schon nach einer Minute wird die Patrouillentour von Sergeant Vitelli Cassiano abrupt gestoppt. Er kann nichts machen, das ist der Lauf der Dinge. Ein beeindruckender Kuhfladen platscht auf die staubige rote Sandpiste. Sein asiatischer Wasserbüffel nimmt aber, nachdem er sich erleichtert hat, sofort wieder den Dienst auf. Seit 23 Jahren ist der Polizist stolzes Mitglied der einzigen Reiterstaffel der Welt, die auf Wasserbüffeln auf Streife geht – und sogar Verbrecher jagt.
Dienstort der unterschiedlichen Partner ist die brasilianische Amazonas-Insel Marajó. Von Belém geht es zwei Stunden auf dem Boot hinüber zur Inselhauptstadt Soure. Marajó ist die größte Flussinsel der Welt. Sie liegt im Norden Brasiliens, im Mündungsgebiet des Amazonas, ein Teil grenzt direkt an den Atlantik. Die Turbulenzen des Krisenjahres 2016 sind in diesem entlegenen Flecken Erde fern. Marajó, das ist die Entdeckung der Langsamkeit. Schon am Fähranleger der verschlafenen Hauptstadt wird für Ice Búfalo geworben. Das Logo der Eisfirma ziert ein lachender schwarzer Büffel mit elegant geschwungenen Hörnern. Neben Büffeleis im Becher gibt es auch Büffelmilch, Büffelkäse und Büffelfleisch. „Büffel, Büffel, Büffel“, murmelt Sergeant Cassano bei seiner Patrouillentour, seine Uniform ziert ein gelber Schriftzug „Policia Militar“. „Das ist hier unser Leben. Und unser Essen.“Gerade die sehr zarten, fettarmen Steaks, garniert mit dem weißen Käse, gelten als Delikatesse.
Am berühmtesten Strand, der Praia do Pesqueiro, steht fast jeden Tag Walter Cardoso, der bis zu 200 Reais (rund 50 Euro) pro Tag mit Fotos verdient, die Badegäste auf seinem Büffel machen. Er hat das Tier „Krieger“getauft. Im Hintergrund schwappen die Wellen. Ein Büffel am Strand, kein alltägliches Bild, aber hier fast normal. „Das ist die zweitreichste Büffelgegend der Welt nach Asien“, meint er.
Marajó ist mit rund 40.000 Quadratkilometern fast genauso groß wie die Schweiz. Und der Legende nach gab es hier einen folgenschweren Unfall. Demnach verunglückte um das Jahr 1890 ein Frachtschiff vor der Atlantikküste, das Wasserbüffel geladen hatte. Der Großteil der Tiere rettete sich in Marajó an Land – und sie vermehrten sich prächtig. Ein Polizist spricht von mindestens 200.000 Büffeln auf der ganzen Insel, Schätzungen reichen aber auch bis zu einer Million.
Marajó ist wie für die Wasserbüffel gemacht. Vor allem sind es sumpfige Mangrovenwälder, die in der Regenzeit mit Autos und Pferden kaum zu durchqueren sind. So kam die Polizei vor knapp 25 Jahren auf die Idee mit der Büffelstreife, selbst das Wappen der Polizei in Soure zeigt einen schwarzen Büffel in einem blauen Fluss.
Fast jede Familie auf Marajó hat einen Büffel. Polizeichef Oscar Guimaráes sagt, der Sprung vom Pferd zum Büffel sei nicht weit. „Das Pferd bremst man über das Maul, den Büffel über die Nase.“Wenn ein Dieb durch einen der Flüsse flüchtet, kann er mit Büffel besser gestellt werden. Fünf hat die Polizei im Einsatz. Sergeant Cassiano kommt um 8 Uhr zum Hauptquartier, die Büffel stehen auf dem benachbarten Fußballplatz, alle haben sie einen Namen. Baratchina wird gerade gewaschen, das Fell ist mit Lehm verklebt.
Dann schwingt sich Vitelli Cassiano in den Sattel. In den Sümpfen wird der Polizist heftig von Moskitos attackiert, während Baratchina fast komplett einsinkt. Auf festem Boden erreicht ein Büffel bis zu 30 km/h. „Es gibt vor allem Probleme mit Drogenhandel“, sagt Polizeichef Guimaráes. „Und es werden viele Büffel gestohlen.“