Das Comeback begann auf dem Zehnerkar
Als am 28. November 1976 in Obertauern der traditionelle Zehnerkar-Riesentorlauf (damals die 29. Auflage) ausgetragen wurde, galt die ganze Aufmerksamkeit nicht dem stark besetzten Herrenrennen, sondern Annemarie Moser. Sie hatte drei Wochen zuvor überraschend angekündigt, ihre 19 Monate zuvor ebenso überraschend beendete Karriere fortsetzen zu wollen. Akribisch bereitete sie sich unter Anleitung von Hermann Wölfler vor und nun kam der Augenblick der Wahrheit: In Obertauern wollte sie als Vorläuferin sehen, wo sie stand, ob eine Rückkehr in den Weltcup überhaupt Sinn hatte.
Die Trainer Wölfler und Hias Leitner hatten auf den Pisten „Pongau“am Fünferkar und „Lungau“am eigentlichen Zehnerkar zwei selektive Kurse ausgeflaggt. Für die Überraschung des Tages sorgte der 17-jährige Arlberger Hannes Spiess, der das Rennen gewann. Arrivierte Läufer blieben geschlagen, als bester landete Alois Morgenstern an dritter Stelle, unmittelbar gefolgt von dem Salzburger Talent Josef Rattensberger aus Kaprun. Zeiten von Vorläufern blieben wie üblich „geheim“, doch sickerte durch, dass Annemarie Moser etwa an 20. Stelle gelandet wäre. Also eine gelungene Generalprobe, wie auch Wölfler feststellte. Das erste Rennen nach der langen Pause folgte wenig später in Haus im Ennstal, wo sie in der ersten Abfahrt zum Tauerncup hinter ihrer 15-jährigen Schwester Cornelia Pröll Zweite wurde; wegen eines Sturzes im Zielraum verzichtete sie auf das zweite Rennen.
Dafür rückte die Rückkehr in den Weltcup, den sie fünf Mal als Gesamtsiegerin verlassen hatte, immer näher. Cheftrainer Claus Derganc gab für Val d’Isère grünes Licht. Annemarie Moser fuhr in beiden Trainingsläufen Bestzeit, das Rennen wurde wegen irregulärer Bedingungen abgebrochen. Im folgenden Riesentorlauf stand sie als Dritte schon wieder auf dem Podest und eine Woche später erlebte die Konkurrenz die „alte“Annemarie Moser wieder: Sie gewann die Abfahrt in Cortina d’Ampezzo mit 1,63 Sekunden Vorsprung. Es war ihr 42. Sieg im Weltcup, dem noch 20 weitere und ein sechster Gesamtsieg folgen sollten. Ihren sportlichen Lebenstraum erfüllte sie sich am 17. Februar 1980 mit dem Olympiasieg in der Abfahrt in Lake Placid. Vier Wochen später gab sie ihren Rücktritt vom Rennsport bekannt – dieses Mal war er endgültig. Die vier Jahre zuvor in Obertauern begonnene Plagerei hat sich jedenfalls bezahlt gemacht.