Bürgermeister fürchten Stillstand durch längere Verfahren
Das Land soll die Aarhus-Konvention umsetzen. Dann könnten rund 50 Organisationen bei Naturschutzverfahren mitmischen.
„Bei uns sind die Standards im Naturschutz hoch genug.“ Wolfgang Viertler, Bgm. Mittersill
Die Konvention von Aarhus Der schon 1998
in der dänischen Stadt Aarhus beschlossene Vertrag hat den Schutz der Umwelt zum Ziel und geht davon aus, dass jeder Mensch das Recht und die Pflicht hat, die Umwelt zu schützen und zu verbessern.
Die drei Säulen
der Konvention sollen das garantieren. Die erste Säule ist der Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen. Die zweite Säule ist die Öffentlichkeitsbeteiligung an Genehmigungsverfahren von Großprojekten. Die dritte Säule ist der Zugang der Öffentlichkeit zu Gerichten in umweltbezogenen Verfahren. Österreich hat die Aarhus-Konvention 2005 ratifiziert, die dritte Säule aber bisher unzureichend umgesetzt. Es läuft ein Vertragsverletzungsverfahren.
SALZBURG. Ist für den Bau einer Seilbahn oder eines Kraftwerks eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nötig, dauert das Genehmigungsverfahren oft Jahre. Und es kann Millionen kosten. Nun gibt es Befürchtungen, dass es auch bei Klein- und Kleinstverfahren im Naturschutz zu einem enormen Zuwachs an Bürokratie und somit zu längeren und kostspieligeren Verfahren kommt.
Der Mittersiller Bürgermeister Wolfgang Viertler als Obmann des Regionalverbands Oberpinzgau spricht in einem Brief an die Landesregierung von einem drohenden Chaos, weil „nach den Vorgaben der EU allen größeren Umwelt- und Naturschutzorganisationen (NGOs) wie beispielsweise dem Naturschutzbund, dem Alpenverein oder dem WWF eine Parteistellung in Naturschutzverfahren eingeräumt werden muss, die jener der Landesumweltanwaltschaft gleicht.“Danach hätten die NGOs nicht nur wie schon jetzt in den großen UVP-Verfahren, sondern auch bei allen kleineren Naturschutzverfahren „ein massives Mitwirkungsund – wenn man es nüchtern sehen möchte – Verhinderungsrecht“. Die Rede ist von sämtlichen nach dem UVP-Gesetz in Österreich anerkannten NGOs. Das sind etwa 50. Neben WWF, Naturschutzbund, Alpenverein, Naturfreunden, Greenpeace und BirdLife gehören dazu zum Beispiel auch der deutsche Alpenverein, der Verein Lebenswertes Traisental und der Verein der Freunde zur Förderung des Lebendbaumkreises.
Bei den angesprochenen Vorgaben der EU handelt es sich um die sogenannte Aarhus-Konvention. Der umstrittene Teil des Übereinkommens ist jener, der der Öffentlichkeit Zugang zu Gerichten in umweltbezogenen Verfahren garantiert. Der 1998 im dänischen Aarhus beschlossene Vertrag ist EU-Recht und wurde von Österreich 2005 anerkannt, aber bis heute, was die umstrittene Passage betrifft, nicht umgesetzt. Dazu müssten alle Bundesländer Gesetze ändern. Aber nur in Wien liegt zumindest ein Entwurf vor.
Der Klubobmann der Grünen im Landtag, Cyriak Schwaighofer, sagt, es laufe bereits ein Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Österreich. Eine Anpassung der Gesetze auch in Salzburg ist aus Sicht der Grünen deshalb unumgänglich. Schwaighofer hofft, dass das noch in der laufenden Legislaturperiode, also vor 2018, passiert. Es gebe dazu Gespräche zwischen LH-Stv. Astrid Rössler (Grüne) und Landesrat Josef Schwaiger vom Koalitionspartner ÖVP. Ursprünglich planten die Grünen, die Umsetzung der Aarhus-Konvention kurzfristig noch in die vor wenigen Wochen beschlossene Novelle des Salzburger Naturschutzgesetzes einzubeziehen. Man kam aber dann zu dem Schluss, dass es einer breiteren Befassung mit der Materie bedürfe. Was „Zugang der Öffentlichkeit zu Gerichten“bedeute, dazu gebe es unterschiedliche Interpretationen, so Schwaighofer. „Es gab deshalb eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern. Sie empfahl ein nachträgliches Beschwerderecht von durch das UVP-Gesetz anerkannten NGOs gegen Bescheide beim Landesverwaltungsgericht.“Nach dem Gang zum Landesverwaltungsgericht wäre auch noch die Revision beim Verwaltungsgerichtshof möglich. So will es Wien umsetzen und auch in Salzburg geht es in diese Richtung.
Astrid Rössler schrieb in ihrer Antwort an Wolfgang Viertler, die Bedenken, dass auch kleinere Naturschutzverfahren durch eine nicht vorhersehbare Beteiligung von Umweltorganisationen langwierig und in der Sache strittig werden könnten, seien für sie grundsätzlich nachvollziehbar.
„Die NGOs würden nicht jedes Verfahren blockieren.“ Astrid Rössler, LH-Stv. (Grüne)
„Andererseits können wir die Sache aus der Praxis heraus auch realistischer sehen: Nicht für jede Geländekorrektur oder Sportplatzerweiterung außerhalb von Schutzgebieten wird eine Umweltorganisation in den Oberpinzgau reisen.“Im Gespräch mit den SN ergänzt Rössler: „Die NGOs haben weder Lust noch die Kapazität, jedes Verfahren zu blockieren. Ich denke, sie würden dieses Mittel so wie die Landesumweltanwaltschaft maßvoll einsetzen.“Rössler würde es entgegen den Empfehlungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe bevorzugen, wenn die NGOs schon während des Verfahrens einbezogen würden, und nicht erst dann, wenn ein Bescheid vorliege. „Das würde die Chance auf einen Konsens erhöhen. “
Landesrat Schwaiger sieht keinen Zeitdruck. Er sagt: „Ich bin dafür, dass so wesentliche Änderungen breit diskutiert werden. Ich glaube nicht, dass wir bis 2018 zu einer Lösung kommen. Ich warte auf eine Leitlinie der Europäischen Kommission, welche Mindestanforderungen nötig sind.“Schwaiger sieht die Einführung einer weiteren Instanz in Behördenverfahren äußerst kritisch. „Das können wir der Bevölkerung und den Behörden nicht antun. Mir ist die Natur sehr wichtig. Aber wir müssen aufpassen, dass wir jenen, die die Verantwortung tragen, nicht die Umsetzung von Projekten durch Hürden verunmöglichen.“Salzburg sei schon jetzt das Land der Bürgerinitiativen. „Es kann nicht sein, dass eine kleine Gruppe der Bevölkerung, die ihre Energie dafür einsetzt, Dinge zu verhindern, ein Diktat ausübt, während die Mehrheit eine Umsetzung will wie bei den Windrädern.“