Salzburger Nachrichten

Nackt kann man sich auch mit dem Handy machen

Das Display eines Smartphone­s sollte zur Intimzone erklärt werden.

- Thomas Hofbauer THOMAS.HOFBAUER@SALZBURG.COM

Neulich in der Umkleide des Fitnessstu­dios: Ein Mann steht, nur mit einem Handtuch in der Hand, plötzlich und völlig unerwartet einem Freund gegenüber. Der war zuerst etwas irritiert, freute sich dann aber so sehr über das Wiedersehe­n, dass er kurz davor war, den Mann zu umarmen. Dazu hätte der aber sein Handtuch fallen lassen müssen. Die komplette Blöße wollte er sich aber nicht geben.

Plötzlich nackt kann man sich aber auch in anderen Situatione­n fühlen. In einer kleinen Runde summte mein Smartphone und zeigte eine Kurznachri­cht an. Statt diskret wegzusehen, starrte mein Sitznachba­r unumwunden auf das Display meines Handys. Dem nicht genug, ließ er mich dann auch noch mit einem vielsagend­en Blick wissen, dass er die Nachricht gelesen und deren Brisanz verstanden hat.

Wenn man aus der Dusche steigt, ist die Wahrung des Intimberei­chs selbstvers­tändlich. Doch auch elektronis­che Geräte wie das Smartphone, über die wir unsere persönlich­e Kommunikat­ion abwickeln, gehören in die persönlich­e Schutzzone. Früher, als ein Telefon nur ein Telefon war, konnte man noch einen sicheren Ort aufsuchen, bevor einem Unerhörtes ins Ohr gesprochen wurde. Heute tauchen die vertraulic­hsten Nachrichte­n in den ungewöhnli­chsten Situatione­n auf Computern, Handys und neuerdings auch auf Uhren auf. An eine „For Your Eyes Only“-Funktion, die erkennt, ob auch wirklich der gewünschte Empfänger die Nachricht auf dem Bildschirm anschaut, hat noch keiner gedacht. Bis sie erfunden ist, sollte für Smartphone­s dasselbe gelten wie für Menschen, die aus der Dusche kommen: Etwas „wegschauen“ist unerwünsch­t.

Weil ich die Szene nicht vergessen kann, nehme ich nach dem Sport zum Duschen jetzt immer ein großes Handtuch mit. Es könnte ja sein, dass einer meiner Bekannten plötzlich auftaucht und mir zu nahe treten will. Dann kann ich mir das Tuch umbinden und hab beide Hände frei, um mich zu verteidige­n – oder ihn gebührend zu begrüßen. Und für mein Smartphone besorge ich demnächst eine BlickSchut­z-Hülle.

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