„Die Obergrenze für Asylbewerber wird halten“
Integration sei oft schwierig. Es müsse aber klar sein, dass in Österreich die österreichischen Regeln gelten, sagt Kanzler Christian Kern.
Bundeskanzler Christian Kern rät, angesichts des Terrors nicht auf einfache Antworten zu setzen, hält die bestehenden Gesetze für ausreichend, will diese aber ohne Toleranz angewendet wissen. SN: Herr Bundeskanzler, die Attentate in ganz Europa, die Entwicklung in der Türkei, die Flüchtlingskrise haben viele Menschen verunsichert und verängstigt. Was sagen Sie diesen Bürgerinnen und Bürgern? Christian Kern: Es gibt auf die schrecklichen Taten, die von Einzelnen, mit unterschiedlichen Motiven, begangen wurden, keine einfachen Antworten. Es ist die Aufgabe der Polizei und der Justiz, die Taten, wenn es geht, zu verhindern, aber jedenfalls die Täter zu überführen und zu bestrafen. Aber natürlich geht es auch darum, Menschen, die zu uns kommen, zu integrieren. Das ist nicht einfach. Man muss ja bedenken, dass viele dieser Menschen aus Ländern kommen, in denen Gewalt tägliche Realität ist, und diese auf ihrer Flucht oft schreckliche Sachen erlebt haben. Umso größer müssen unsere Anstrengungen sein. SN: Brauchen wir strengere Gesetze und mehr Polizei? Der besonnene bayrische Innenminister Joachim Herrmann hat etwa vorgeschlagen, die Armee im Inland einzusetzen. Ich glaube nicht, dass damit ein Einzeltäter wie zum Beispiel der in München hätte aufgehalten werden können. Aber sicher, auch wir bauen den Sicherheitsapparat aus. Wir stellen neue Polizisten ein, wir setzen das Heer für Inlandsaufgaben ein. Ich halte es ebenfalls für sinnvoll, die muslimischen Verbände verstärkt zur Isolation radikaler Elemente einzubeziehen. Sie müssen ihre Verantwortung wahrnehmen und ihren Beitrag leisten, auch zur Integration. Frauen nicht die Hand zu geben, geht nicht. SN: Aber auch in Österreich hat das Heer etwa die Sicherung der Botschaften übernommen. Das ist im Rahmen des Assistenz- einsatzes des Heers für das Innenministerium so vereinbart worden. Dadurch werden Polizisten für ihre eigentliche Arbeit frei. Das Heer könnte auch auf Flughäfen verstärkt Aufgaben übernehmen. SN: Also reichen die bestehenden Regeln aus? Strengere Gesetze sind nicht immer eine Patentantwort. So hätte etwa der Einsatz der Armee im Inland den Einzeltäter von München wohl auch nicht aufgehalten. Allerdings gehören sie rigoros angewandt. Da muss es eine Null-Toleranz-Politik geben. Gleichzeitig müssen wir darauf achten, dass unsere Grundwerte gewahrt bleiben. Da müssen wir manchmal politische Parolen akzeptieren, die uns nicht gefallen. Etwa bei den türkischen Pro-ErdoganDemonstrationen in Wien. SN: Sie waren vor Kurzem in Ungarn, um mit Viktor Orbán über eine gemeinsame Vorgangsweise bei der Überwachung der EU-Grenze zu sprechen. Was kommt da? Die Flüchtlingszahlen sind deutlich zurückgegangen. Über Spielfeld und den Brenner sind in letzter Zeit so gut wie keine Flüchtlinge gekommen sind. Auch der Zustrom über Ungarn hat deutlich abgenommen. Aber trotzdem sind hier noch viele Flüchtlinge unterwegs, auch wenn die Ungarn stark kontrollieren. Sie wollen die Überwachung weiter verbessern und wir sollen helfen. Experten aus beiden Ländern arbeiten Details aus. Das Bundesheer soll mit Pionieren und Sanitätern helfen. Viktor Orbán will 300 österreichische Soldaten haben. Wir werden sehen. Wir haben vereinbart, dass zwei Menschenrechtsorganisationen, eine nominiert Ungarn, eine Österreich, dort aktiv eingebunden werden. Bei all diesen Aktivitäten müssen die Grundrechte der Menschen, die Hilfe suchen, respektiert werden. SN: Die Regierung hat ein Asylpaket beschlossen, das eine Obergrenze für Flüchtlinge vorsieht. Wird die halten? Wenn die Entwicklung stabil bleibt, kann die Obergrenze eingehalten werden. Daher ist die Unterstützung für die Ungarn sinnvoll und notwendig. Sie ist ein Baustein, damit nicht mehr als 37.500 Flüchtlinge dieses Jahr zum Asylverfahren zugelassen werden. Wenn nicht, muss es weitere Maßnahmen geben. SN: Viele Menschen haben das Vertrauen in die Politik verloren und wollen mit ihr nichts mehr zu tun haben. Wie sollen diese Bürger für die Demokratie zurückgewonnen werden? Diese Stimmung gibt es und da ist die Politik, aber auch die Medien in der Pflicht. Es muss nicht jedes Ereignis in der öffentlichen Debatte zugespitzt werden. Vor allem dann, wenn es früher nicht einmal eine kleine Notiz wert gewesen wäre. Aber natürlich, die Menschen sind verunsichert – durch die Wirtschaftskrise und durch die Flüchtlingskrise. Die Politik muss wieder die Hoheit über die Wirtschaftsentwicklung zurückgewinnen und auch glaubhaft für die innere Sicherheit garantieren.