In Indien küsst Bond nicht ungestraft
Die indische Filmzensur wird strenger, wird aber teilweise von Gerichten gestoppt.
In letzter Sekunde verhinderte zu Beginn der Woche ein Gericht in Mumbai, dass ein neuer Bollywood-Film extrem gekürzt in die Kinos kommen durfte. In dem Streifen „Udta Punjab“geht es um den indischen Bundesstaat Punjab und seine Drogenprobleme. Dass es diese gibt, ist kaum umstritten. Dass sie aber gezeigt werden dürfen, ist auch im Indien des Jahres 2016 nicht selbstverständlich.
Den Produzenten zufolge hatte das Central Board of Film Certification (CBFC) verlangt, dass an nicht weniger als 89 Stellen die Schere angesetzt wird. Flüche und Drogenkonsum sollten verschwinden. Angeblich auch der Name „Punjab“aus fast allen Dialogen – und aus dem Titel.
Das CBFC – übersetzt „zentraler Ausschuss für die Zertifizierung von Filmen“– hat in Indien die Macht, über Sein und Nichtsein von Filmen zu entscheiden. Und das betrifft freilich auch internationale Produktionen.
Ohne die Zustimmung des CBFC kann keine Produktion in den indischen Kinos laufen. Zuletzt waren von dort einige liberale Tendenzen zu erkennen. Doch seit die Regierung von Premierminister Narendra Modi im Jänner 2015 den Hardliner Pahlaj Nihalani zu seinem Chef machte, wird die Uhr wieder zurückgedreht.
Seit Nihalani am Ruder des CBFC steht, sind in indischen Kinos etwa kaum noch Schimpfwörter zu hören. Selbst Ausdrücke wie das Wort „lesbisch“verschwinden kommentarlos aus den indischen Versionen auch internationaler Filme.
Auch der jüngste James-BondFilm „Spectre“löste in Indien große Diskussionen aus. Unter anderem wurde eine Kussszene als zu intensiv empfunden und radikal gekürzt. Die Zuschauer reagierten mit Sarkasmus: Unter dem Hashtag SanskariJamesBond (dt. „der redliche James Bond“) machten TwitterNutzer sich über die Prüderie des CBFC lustig.
„Es fühlt sich ein wenig an, als würden wir ins dunkle Mittelalter zurückkehren“, sagt Filmkritikerin Shubhra Gupta, die selbst im CBFC saß. Richtlinien des CBFC stammten aus den 1950ern und müssten in der heutigen Gesellschaft deutlich liberaler ausgelegt werden.
Von dieser Position ist das heutige CBFC weit entfernt. „Geht es nach dem Film ,Udta Punjab‘, sind 70 Prozent der Jugendlichen in dem Bundesstaat drogenabhängig“, sagte CBFC-Chef Nihalani der Zeitung „Hindustan Times“. „Wir konnten nicht erlauben, dass Punjab auf diese Weise verrissen wird.“Zudem widersprach er der Darstellung der Filmproduzenten. Statt der behaupteten 89 Schnitte habe man lediglich 13 verlangt und den Film ansonsten freigegeben.
Doch dazu kommt es nicht. Zum ersten Mal seit dem Amtsantritt von Nihalani hat eine Gruppe Produzenten den Zensurkampf nicht mit dem CBFC selbst ausgefochten, sondern ein Gericht angerufen. Und der Bombay High Court hat klar entschieden. Das oberste Gericht der Stadt Mumbai, wo die meisten Bollywood-Filme produziert werden, hat die Kürzungsliste des CBFC radikal gekürzt – auf einen einzigen Schnitt. „Die Schnitte hätten den Film bis zur Unkenntlichkeit zerstückelt“, zitierte die Zeitung DNA einen der Richter. Was das für die künftige Politik des CBFC bedeutet, ist noch unklar. Der Ausschuss teilte lediglich mit, er werde sich in diesem Fall dem Urteil fügen.