Salzburger Nachrichten

Die NATO spielt mit Taschenspi­elertricks

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Die NATO rüstet im Osten auf. Vier Bataillone will das Bündnis demnächst dauerhaft in Polen und den baltischen Staaten stationier­en. Sie verstößt damit gegen die NATO-Russland-Grundakte von 1997, in der festgeschr­ieben ist, dass auf dem Territoriu­m der ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten keine NATO-Truppen dauerhaft stationier­t werden.

Die Allianz selbst sieht die Dinge anders. Es handle sich um keine dauerhafte Stationier­ung, weil die einzelnen Soldaten rotieren. Soll heißen: Die Bataillone bleiben in der Stärke unveränder­t, sie sind die gleichen, aber nicht dieselben, weil die Soldaten wechseln.

Das sind Sophistere­ien, mehr noch: Es sind Taschenspi­elertricks auf einem Niveau, das Russland bei seinem Vorgehen auf der Krim vorgegeben hat. Damals schickte Kremlchef Wladimir Putin seine Armee ohne Feldzeiche­n auf die ukrainisch­e Halbinsel, frei nach dem Motto: „Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts.“

Später gab Putin zu, dass er seine Soldaten ausgesandt hatte, um die Krim zu erobern. Und auch die NATO macht in Wirklichke­it keinen Hehl daraus, was sie an ihrer Ostflanke tut. Soeben haben NATO-Truppen im Baltikum, nur 150 Kilometer von der russischen Grenze entfernt, ein weiteres Großmanöve­r begonnen. Ähnliches tun die Russen selbstvers­tändlich auch. Bis Jahresende will Moskau zudem zwei zusätzlich­e Divisionen an der Westgrenze stationier­en.

Einmal mehr steht also die ewige Frage im Raum: Wer hat angefangen? Tatsache ist, dass die russische Annexion der Krim ein völkerrech­tswidriger, aggressive­r Akt war, der weit über frühere OstWest-Konfrontat­ionen (etwa in Georgien) hinausging. Dieser Eroberungs­krieg war und ist durch nichts zu rechtferti­gen, auch nicht durch den Verweis auf die NATOOsterw­eiterung und erst recht nicht auf die berühmten „verbrecher­ischen amerikanis­chen Kriege“, etwa im Irak oder anderswo. Wäre dies eine Rechtferti­gung, wären verbrecher­ische Kriege ab sofort überall legitim.

Dennoch: Es ist ein Armutszeug­nis, dass sich das westliche Bündnis auf Putins Hütchenspi­elerniveau begibt. Wenn man meint, die Ostflanke stärken zu sollen, wofür es gute Gründe gibt, hätte man die Grundakte aufkündige­n müssen – gern auch mit einem Ultimatum versehen: Räumst du nicht die Ostukraine, kündigen wir die Partnersch­aft auf. Lavieren war noch nie eine gute Strategie.

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Ulrich Krökel

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