Im gefühlvollen Urlaubsanflug
Statt mit pompösen Sightseeing-Filmen werben Tourismusdestinationen mit Gefühlskino und persönlichen Geschichten um die Zuwendung der Urlauber – und bedienen sich dabei vor allem der Technik.
ST. JOHANN. Emotionen, Emotionen, und noch mehr Emotionen. Nichts ist in unserer Welt, in der alles verfügbar ist, wichtiger als Gefühle. Mitten ins tiefste Innerste des Menschen wird abgezielt – mit gutem Grund, wie der Marken- und Kommunikationsexperte Dieter Georg Herbst weiß. „Gefühle sind ein Lernturbo“, betont er. „Je emotionaler das Erlebte ist, umso intensiver wird man es in Erinnerung behalten.“So wie David und Anna im aktuellen Imagefilm der Österreich Werbung (ÖW). Der Titel: „Zurück zu dir“.
Für David ist darin der intensivste Moment wohl jener, als ihm das Smartphone ins Wasser fällt. Von diesem Zeitpunkt an ist es vorbei mit der pausenlosen Jagd nach möglichst vielen Urlaubsfotos. Der junge Mann hat fortan nur noch Augen für die wunderbare Berglandschaft und seine Partnerin Anna. Wie weggeblasen ist der ermüdende Alltag, der am Laptop und auf dem Laufband stattfindet. Was für ein großes Gefühlskino in nur zwei Minuten.
Klar wird damit: Pompöses Sightseeing in Tourismuswerbefilmen ist passé. Die Inhalte werden bestimmt von Gefühlen und Geschichten, so wie jenen von Anna und David. Der Film jedenfalls – inszeniert zum Sehnsuchtspüren nach der Natur und der eigenen Zeit – sei „ein absoluter Quotenhit“, sagt ÖW-Chefin Petra Stolba. Zwei Millionen Mal sei er bis dato angesehen worden. Für Stolba steht in puncto Marketing fest: „Wir befinden uns auf einer Reise in eine neue Zeit.“Und die ist nicht nur gefühlvoll, sondern vor allem online und digital.
Mehr als jeder zweite ÖsterreichUrlauber hat im Vorjahr seinen Aufenthalt online gebucht. Und fast die Hälfte der Österreich-Reisenden bleibt auch im Urlaub online. Wobei im Schnitt 43 Mal am Tag das Smartphone gecheckt wird. Eine Flut an Onlinevideos ergießt sich ins weltweite Netz: 72 Stunden Videomaterial werden pro Minute auf YouTube hochgeladen. Da ist es nur logisch, dass die Tourismuswerbung mit dabei sein muss.
In Summe wendet die Österreich Werbung 88 Prozent oder rund 44 Mill. Euro ihres 50-Millionen-EuroJahresbudgets für Marketing auf. Der Onlineanteil im Marketingmix liegt mittlerweile bei 25 Prozent, dahinter folgt die klassische Werbung mit 22 Prozent. Nur die Kampagnen betrachtet, finden bereits 40 Prozent im Onlinebereich statt.
Besonders onlineaffin seien die skandinavischen Märkte, heißt es bei der Österreich Werbung. Dort konzentriere man sich zur Gänze auf den digitalen Bereich, auch Gäste aus den USA und Großbritannien seien mittlerweile digital am besten erreichbar.
Aus Großbritannien stammt auch Nick Hall. Er ist Gründer von „thinkdigital.travel“, einer digitalen Tourismus-Denkfabrik. Im globalen Wettbewerb müsse man als Destination immer einen Schritt weiter gehen und vorausblickend agieren, erklärte Hall beim ÖW-Markentag in St. Johann im Pongau. Man müsse bei den Menschen das Gefühl wecken: „Dort muss ich hin.“Und das sei nicht unbedingt eine Frage des Budgets. Die besten Onlinekampagnen und Imageauftritte seien ein kraftvoller Mix aus handgemacht, authentisch und realtime – also aus dem echten, jetzt stattfindenden Leben gegriffen. Beispiele aus aller Welt hat Hall genug parat, etwa aus Oregon. Dort haben die Tourismuswerber einen lokalen Fahrradproduzenten vor den Vorhang gebeten und lassen ihn seine Geschichte erzählen, natürlich sitzt er dabei mitten in schönster, unberührter Natur. Das südafrikanische Kapstadt schickt seine Onlinebesucher auf Städtetour mit einer Einheimischen. Mit ihr aber geht’s nicht zu den herkömmlichen Sehenswürdigkeiten, sondern zu den Lieblingsplätzen der Protagonistin wie den Bäcker ums Eck, der ganz wunderbare Croissants macht.
Man müsse Inhalte vernetzen, mutig sein, tiefer zu gehen, auch mithilfe von Amateurvideos, rät Nick Hall den Tourismuswerbern. „Es sind die Geschichten hinter dem Vorhang, die berühren.“Oder 360-Grad-Videos. Sie bieten, kombiniert mit Virtual-Reality-Technik (VR), den derzeit realitätsnächsten Vorgeschmack auf ein Urlaubserlebnis. Die Österreich Werbung hat bis dato 14 solcher 360-Grad-Videos produziert. Als VR-Erlebnis geht da die Sonne über dem Großglockner auf, kann man auf einer Slackline die Schlucht passieren oder im Drohnenflug über die Krimmler Wasserfälle schweben. Eine Million Mal wurden die Videos bisher auf Facebook und YouTube aufgerufen. Als nächsten Schritt könne der Onlinekonsument nur noch eines tun, heißt es bei der ÖW: „Wirklich hinfahren.“