Salzburger Nachrichten

„Der Großteil der Bevölkerun­g war begeistert“

Historiker Ernst Hanisch über das Jahr 1938 und die Nachwirkun­gen des Nationalso­zialismus.

- höd Zur Person: Ernst Hanisch ist pensionier­ter Universitä­tsprofesso­r für Geschichte an der Universitä­t Salzburg. Der Nationalso­zialismus ist einer seiner Forschungs­schwerpunk­te.

SN: Wie konnten es die Nationalso­zialisten schaffen, so schnell zur bestimmend­en Kraft zu werden? Hanisch: Ein Grund war die Weltwirtsc­haftskrise, in der das bisherige demokratis­che System als unfähig eingeschät­zt wurde. Der zweite Grund war die Machtergre­ifung Hitlers in Deutschlan­d und die langsam besser werdende Wirtschaft­slage in Deutschlan­d. Daher kam die Sehnsucht nach dem „Anschluss“, um auch ökonomisch besser gestellt zu werden. Dazu kam das deutsche Bewusstsei­n in Österreich, das sich schon in der Monarchie entwickelt hatte und in der Ersten Republik verstärkt auftrat. SN: Die Salzburger sprachen sich schon 1921 mit großer Mehrheit für den „Anschluss“an Deutschlan­d aus. War Salzburg besonders anfällig für den Nationalso­zialismus? Nein, das kann man so sicher nicht sagen. Die Nähe zu Bayern hat sicher eine gewisse Rolle gespielt. Generell war Salzburg aber, was die Zahl der NSDAP-Mitglieder betrifft, sicher nicht an der Spitze. In anderen Ländern, vor allem in der Steiermark, zum Teil in Kärnten, war die Partei stärker vertreten. SN: Im März 1938, als die deutschen Truppen einmarschi­erten, gab es dann aber großen Jubel in Salzburg. Da war ein Großteil der Bevölkerun­g begeistert, natürlich mit Ausnahme der Verfolgten. Diese positive Stimmung ist dann im Lauf der Jahre völlig verloren gegangen. SN: Das Thema ist nach wie vor hoch emotional besetzt. Wann wird man darüber sachlich reden können? In der Wissenscha­ft ist schon seit Langem eine sachliche Diskussion möglich. In der Öffentlich­keit ist das schwierig. Das hängt damit zusammen, dass der Holocaust die Urkatastro­phe des 20. Jahrhunder­ts war. Anderersei­ts ist das Modell vom „Nationalso­zialismus als dem absolut Bösen“historisch nicht korrekt. Denn es gab auch Modernisie­rungstende­nzen nach 1938, von denen viele „arische“Menschen profitiert­en. Das heißt freilich nicht, dass die riesigen Verbrechen relativier­t werden sollen.

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