Wie in Stonehenge das Vergangene sichtbar wird
Stonehenge und Mistelbach haben eine Gemeinsamkeit: Beide stehen im Zeichen jener Steine, die Menschen seit Jahrtausenden beeindrucken.
MISTELBACH. Österreich hat KnowHow, das England braucht. Wer ohne in die Erde zu graben wissen will, was darunter verborgen liegt, geht zu Wolfgang Neubauer. Er ist nicht nur „Wissenschafter des Jahres 2015“und Direktor des LudwigBoltzmann-Instituts für Archäologische Prospektion in Wien, er ist vor allem Experte, was Stonehenge und die Umgebung angeht. Wie hoch ist es einzuschätzen, dass Wissen aus Österreich an einem derart geschichtsträchtigen Ort benötigt wird? „Sehr hoch“, sagt Neubauer. Das Team untersuche quadratkilometerweise rituelle Landschaften und mache mit modernen Methoden sichtbar, was sich darunter befinde.
Sicht- und fühlbar ist Stonehenge derzeit in Mistelbach. Das MAMUZMuseum hat den weltbekannten Steinen die Ausstellung „Verborgene Landschaft“gewidmet. Dafür, dass ausgerechnet dort Originalfunde aus Stonehenge das erste Mal außerhalb Großbritanniens gezeigt werden, ist Wolfgang mitverantwortlich.
„Vor zwei Jahren ist er mit der Idee einer Ausstellung und seinen guten Kontakten zu mir gekommen. Da haben unsere Augen zu leuchten
Neubauer begonnen“, sagt Matthias Pacher, Geschäftsführer im MAMUZ. Nun warten in Salzburg gefertigte 3DRepliken der meterhohen Monolithen auf die Besucher, oder auch Funde wie ein „Pink Stone“. Dieser intensiv rosafarbene Stein ist typisch für die Landschaft um Stonehenge. Darüber hinaus werden Stücke gezeigt, die die britischen Inseln noch nie verlassen haben. Die Ausstellung zeigt Grabfunde wie eine Brustplatte aus Gold, Jahrtausende alte Keramik und Dolche, die im Alpenraum entstanden und dann auf die Insel gelangt sind. Einen Überblick über den Steinkreis und die Umgebung von Stonehenge liefert eine 25 Meter lange Panoramaprojektion in der Mitte des Raumes.
Wie es gelingt, ohne Grabungswerkzeug in den Boden hineinzuschauen, weiß Matthias Kucera. Er ist Forscher in Neubauers Team. Seit 2010 testen Fachleute des Ludwig-Boltzmann-Instituts rund um Stonehenge boden- und luftgestützte Systeme. Etwa, indem sie Radarwellen in den Boden schießen. Je nachdem, wie schnell die Wellen durch den Boden laufen, wissen Experten, was unterirdisch zu erwarten ist. „Auf dieser Basis erstellen wir Oberflächenmodelle, um zu rekonstruieren, wie die Landschaft vor langer Zeit ausgesehen hat“, sagt Kucera. So könnten die Wissenschafter Zusammenhänge herstellen und durch Grabungen oder Feldbegehungen belegen.
Ob diese BodenprospektionsMethoden, bei denen österreichische Wissenschafter Forscher federführend sind, Recht behalten, werden archäologische Grabungen im August zeigen. Gearbeitet wird dann an dem Erdwall von Durrington Walls. Dort, zweieinhalb Kilometer von Stonehenge entfernt, werden weitere Monolithen erwartet. Auch sie sollen einen rituellen Ort markieren. Mit einem Durchmesser von 1,7 Kilometern handelt es sich bei der neolithischen Wallanlage von Durrington Walls um eines der größten Henge-Monumente. Es dürfte Mitte des dritten Jahrtausends vor Christus aufgeschüttet worden sein – etwa zur Zeit der ersten Ausbauphase des Steinrings von Stonehenge.
„Bei unseren Radarmessungen war bereits viel zu erkennen, zum Beispiel die Dimensionen der großen Steine“, sagt Wolfgang Neubauer. Die Faszination seiner Arbeit liege darin, „längst Vergangenes mit unseren Methoden wieder sichtbar zu machen“, erklärt er.
„Untersuchen die rituelle Landschaft.“