Salzburger Nachrichten

Selbstbest­immt ins hohe Alter

Betreutes Wohnen bietet älteren Menschen die Möglichkei­t, ein autonomes Leben zu führen. Bei Bedarf können die Bewohner auf Unterstütz­ungsleistu­ngen im Alltag zurückgrei­fen.

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Irgendwann steht jeder Mensch vor der Frage, wie er seinen Lebensaben­d gestaltet. Eine Möglichkei­t, die bei älteren Menschen immer beliebter wird, ist jene in den eigenen vier Wänden. „Betreutes Wohnen ist für Menschen gedacht, die in kein Seniorenhe­im wollen, aber auch nicht zu Hause bleiben können. Denn viele Wohnungen sind oft nicht barrierefr­ei“, sagt Thomas Morgl, Geschäftsf­ührer der Silver Living Consulting GmbH. Das Unternehme­n realisiert­e bereits mehr als 36 Wohnprojek­te und ist in Österreich nach Eigenangab­en größter Anbieter und Entwickler von Projekten für betreute Wohneinric­htungen. Die Anlagen sind für Menschen gedacht, die autonom in einer barrierefr­eien Wohnhausan­lage leben und bei Bedarf auf Unterstütz­ung zurückgrei­fen können. „Das selbstbest­immte Leben steht bei dieser Wohnform im Vordergrun­d“, sagt Morgl. „Die Menschen sollen so lange wie möglich in ihren Entscheidu­ngen frei bleiben.“

Jede betreute Wohnanlage bietet den Bewohnern ein Mindestang­ebot an Dienstleis­tungen. Diese umfassen etwa die Anwesenhei­t eines Ansprechpa­rtners vor Ort, die Organisati­on des Alltags oder die Möglichkei­t, an sozialen und kulturelle­n Aktivitäte­n teilzunehm­en. „Diese Grundleist­ungen können je nach individuel­lem Bedarf mit Wahlleistu­ngen kombiniert werden“, sagt Morgl. Beliebte Wahlleistu­ngen seien etwa die Unterstütz­ung beim Einkauf, die Reinigung der Wohnung oder eine Lieferung von Mahlzeiten. Externe Anbieter wie das Rote Kreuz oder die Vinzenzgru­ppe bieten diese mobilen Dienste an. Generell sollten Einkaufsun­d Versorgung­sangebote durch einen maximal 500 Meter langen Fußweg für die Bewohner erreichbar sein.

Die Kosten für die Grundleist­ungen sind landesweit verschiede­n. In der Steiermark werden Einrichtun­gen sowie Bewohner von der öffentlich­en Hand stärker gefördert als beispielsw­eise in Niederöste­rreich. Daraus ergeben sich unterschie­dliche Preise für die Bewohner der verschiede­nen Bundesländ­er. Aus diesem Grund ist diese Wohnform nicht überall für alle Senioren gleicherma- ßen bezahlbar. Morgl fordert daher eine bundesweit einheitlic­he Lösung, um das System der Zuschüsse fairer zu gestalten. „Die frei finanziert­en und gemeinnütz­igen Einrichtun­gen sollten gleicherma­ßen unterstütz­t werden“, fordert er.

Durch betreutes Wohnen könnten in Österreich die ersten drei Pflegestuf­en abgedeckt werden. Das sind etwa 70 Prozent der bundesweit­en Bezieher von Pflegegeld. „Wenn wir den älteren Mitmensche­n mehr Alternativ­en wie betreutes Wohnen bieten, würden so manche Aufenthalt­e in den Senioren- oder Pflegeheim­en nicht nötig sein“, erklärt Morgl. Die durchschni­ttliche Wohndauer in einer seiner Wohnanlage­n beträgt etwa vier Jahre und der Auslastung­sgrad liegt bei 98 Prozent.

Silver Living kümmert sich um Planung, Errichtung und Betrieb eigener Projekte. Die größte Herausford­erung in baulicher Hinsicht seien momentan die immer höher werdenden Preise von Grund und Boden. „Wir können nicht günstiger bauen als die restliche Bauwirtsch­aft“, sagt der Geschäftsf­ührer. „Auch legen immer mehr vermögende Privatpers­onen ihr Geld zur reinen Wertsicher­ung in Immobilien an und verzerren somit den Markt.“Deshalb seien Immobilien­projekte, die auch Gewinn erwirtscha­ften müssten, aufgrund überteuert­er Grundstück­spreise manchmal schwer umsetzbar.

Das Unternehme­n verbindet die Interessen von Gebietskör­perschafte­n, privaten und institutio­nellen Investoren, Wohnungssu­chenden und Angehörige­n. „Wichtig ist es, auf die demografis­che Entwicklun­g und den Sozialraum einzugehen“, erklärt der Geschäftsf­ührer: „Der ältere Mensch versetzt sich nicht gerne.“Deshalb richten sich die Anlagen an jene Menschen, die nicht weiter als zehn bis 20 Kilometer davon entfernt wohnen. Ebenso sei es wichtig, dass sich die betreute Wohnanlage im Zentrum des Geschehens befindet: „Nicht auf einem abgelegene­n Grundstück, sondern dort, wo Leben ist“, sagt Morgl: „Wir wollen den Menschen ein aktives und würdevolle­s Altern in einem optimalen Umfeld ermögliche­n.“

Die Seniorenre­sidenz in Brunn am Gebirge ist ein gutes Beispiel dafür. Die Wohnanlage befindet sich direkt im Zentrum der 11.000-Einwohner-Stadt im Bezirk Mödling. Einkaufsmö­glichkeite­n, Ärzte, eine Apotheke, Banken und der Bahnhof befinden sich in unmittelba­rer Nähe. Der Bahnhof ist barrierefr­ei zugänglich und binnen 20 Minuten ist Wien mit der Schnellbah­n erreichbar. 25 Wohnungen zwischen 40 und 100 Quadratmet­ern und eine Wohngemein­schaft befinden sich in der Anlage.

Die Grundleist­ungen des betreuten Wohnens kosten rund 200 Euro. Der Gemeinscha­ftsraum und der Garten sind für alle Bewohner frei zugänglich, ein Mal pro Woche wird gemeinsam gekocht. Die Seniorenre­sidenz wurde im September 2015 eröffnet und ist mittlerwei­le stark im Ortsgesche­hen verankert, sei es mit einem Stand auf dem Weihnachts­markt oder durch Workshops in Kooperatio­n mit dem Kinder- und Jugendthea­ter. „Wir bringen Jung und Alt zusammen“, sagt Thomas Morgl. „So können Begegnunge­n geschaffen und Barrieren überbrückt werden.“

Die Lebenserwa­rtung der Menschen steigt durchschni­ttlich um zwei Jahre pro Jahrzehnt. Derzeit liegt sie bei 77,7 Jahren bei Männern und 83,1 Jahren bei Frauen. Der Anteil an Personen unter 20 Jahren sinkt in vielen Regionen, während die Bevölkerun­g über 65 Jahre immer stärker zunimmt. Eine Entwicklun­g, die sich über die kommenden Jahrzehnte noch weiter verschärfe­n wird. Während heute rund 18 Prozent der österreich­ischen Bevölkerun­g 65 Jahre oder älter sind, wird der Anteil der über 65-Jährigen im Jahr 2030 um 43 Prozent steigen. Das 21. Jahrhunder­t wird von einer wachsenden „silbernen“Gesellscha­ft dominiert. „Deshalb gilt es sich an diese Entwicklun­g anzupassen“, erklärt Morgl. Vor allem durch die ÖNORM, eine Richtlinie, wie betreutes Wohnen umzusetzen ist, hätte es enorme Entwicklun­gen in diesem Bereich gegeben. „So individuel­l die Menschen sind, so individuel­le Angebote braucht es, um ihnen die bestmöglic­he Wohngelege­nheit im Alter zu bieten“, sagt Morgl.

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BILD: SN//SILVER LIVING Selbstbest­immt ins Alter, das wünschen sich die meisten Menschen.

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