Zerplatzte Träume und neue Hoffnung
Der „Independent“erscheint ab heute nur noch online. Ein neues britisches Medium setzt hingegen nur auf Print-Ausgaben.
LONDON. Der teure Traum vom unabhängigen Journalismus hielt immerhin 30 Jahre lang. Doch nun mussten selbst die hartgesottenen Idealisten einsehen, dass die wirtschaftliche Realität einen Teil des Traums zerstört hat. Am 26. März erscheint die letzte Druckausgabe der britischen Tageszeitung „The Independent“– neben dem „Guardian“eine der wichtigsten linksliberalen Publikationen im Blätterwald des Königreichs. Der russische Besitzer Evgeny Lebedev erklärte, die Zukunft des Blattes sei eine digitale.
Gegründet wurde die Zeitung im Oktober 1986. Zunächst wurde der „Indy“, wie ihn die Briten nennen, als „frische Stimme“gefeiert. An- fang der 90er-Jahre, auf dem Höhepunkt des Erfolgs, wurden täglich mehr als 400.000 Ausgaben verkauft. Doch es folgte der Niedergang, mehrere Investoren stiegen ein und wieder aus. Im Jahr 2010 kaufte die Zeitung dann der russische Oligarch Alexander Lebedev für den symbolischen Wert von einem Pfund – und übergab die Leitung an seinen Sohn Evgeny. Hoffnung keimte auf, doch das Aufbäumen war schnell dahin, die Verluste wurden immer größer.
Der „Independent“ist der erste große, landesweit erscheinende britische Zeitungstitel, der seine Printausgabe einstellt. „Am Ende war es das Internet, das den ,Independent‘ zerstört hat, und nicht Rupert Murdoch“, schrieb der „Guar- dian“in Anspielung auf die Macht des Medienmoguls. Aber läutet der „Independent“mit dem Schritt einen Trend ein? Immerhin kamen in der Vergangenheit aus diesem Haus häufiger Innovationen. Meist entstanden sie aus dem Kampf ums Überleben. So zum Beispiel 2003, als der „Independent“als erste Zeitung weltweit seine Ausgabengröße halbierte und auf das kompakte Tabloid-Format wechselte. Nun herrsche laut Verleger das Ziel, das Angebot zu einer internationalen digitalen Medienmarke auszubauen. Mehr als 70 Millionen Leser zähle die Webseite pro Monat bereits und mache Gewinn.
Die beispiellose Vielfalt der britischen Presselandschaft scheint mit dem Ende des gedruckten „Indy“ keineswegs gefährdet. Denn während die Nachrufe auf dessen Printausgabe noch über die Insel hallten, lag bereits ein neuer Zeitungstitel in den Kiosken des Königreichs. „The New Day“, der neue Tag, ist die erste eigenständige Neuerscheinung seit dem „Independent“vor 30 Jahren. Ausgerechnet. Der Zeitpunkt dürfte kein Zufall sein. „The New Day“bezeichnet sich als „eine neue Art von Zeitung“. Und allein mit dem Schritt, lediglich auf Papier zu setzen und auf eine Online-Ausgabe zu verzichten, erreicht sie dieses Ziel zumindest oberflächlich.
Während alle britischen Blätter eine klare politische Ausrichtung haben, will „The New Day“neutral sein, auch wenn die Zeitung von der Trinity-Mirror-Gruppe herausgegeben wird, die etwa den traditionell der Labour-Partei nahestehenden „Daily Mirror“veröffentlicht. Die Zielgruppe? Menschen zwischen 35 und 55 Jahren, die das Wichtigste in nicht allzu vielen Worten erfahren wollen. Der Werbeslogan: „Das Leben ist kurz, lasst es uns gut leben.“