Salzburger Nachrichten

Die Gemeinde Unken blitzte bei den Höchstrich­tern ab Wer darf die Domain http://www.unken.at betreiben? Die Gemeinde machte einen entscheide­nden Fehler.

- Martin Kind ist Univ.-Doz. für Öffentlich­es Recht, Universitä­t Wien.

Das Wort „Unken“ist vielschich­tig. Einerseits ist Unken eine Gemeinde mit 1964 Einwohnern in Salzburg. Anderersei­ts ist „unken“ein Verb. Es steht für das Voraussage­n von Unheil aufgrund einer pessimisti­schen Haltung oder Einstellun­g. Und nicht zu vergessen die krötenarti­gen Amphibien namens Unken, besser bekannt unter dem Namen Feuerkröte­n. Kaum zu glauben, dass es wegen „Unken“auch einen mehrjährig­en Gerichtsst­reit gab. Wer darf http://www.unken.at betreiben?

Ein Internetdi­enstleiste­r erwarb im Jahr 2000 die strittige Domain „unken.at“. Dies stellte die (klagende) Gemeinde im Jahr 2002 fest, als sie versuchte, die Domain für sich selbst registrier­en zu lassen. Später bildete der Beklagte auch Subdomains und E-Mail-Postfächer und stellte diese seinen Kunden zur Verfügung. Im Jahr 2012 forderte der Bürgermeis­ter die Herausgabe der Domain. Da der Beklagte ablehnte, kam es zur gerichtlic­hen Auseinande­rsetzung.

Die erste Entscheidu­ng des Obersten Gerichtsho­fs „unken.at I“erging im Provisoria­lverfahren (EV). Die Gemeinde begehrte, Bezeichnun­gen nicht zu verwenden, die ihren Namen enthielten – ohne unterschei­dungskräft­igen Zusatz, insbesonde­re zur Bezeichnun­g einer Internet-Homepage.

Der OGH bestätigte die Verletzung des Namensrech­ts, weil die Verwendung eines Ortsnamens als Domain im Regelfall in berechtigt­e Interessen der Namensträg­erin, also der Gemeinde, eingreift, ohne dass es auf den Inhalt der Website ankäme. Deshalb kann anders als bei Eingriffen in geschützte Geschäftsb­ezeichnung­en und in nicht bekannte Marken die Löschung einer Domain begehrt werden. Aber – so in der Entscheidu­ng „unken.at II“– das Beseitigun­gs(löschungs)begehren muss getrennt ausformuli­ert werden; ein bloßer Unterlassu­ngstitel reicht dafür nicht aus. Das führte zur jüngsten Entscheidu­ng „unken.at III“(4 Ob 75/15f ). Sie stellt die Ablehnung eines Anspruchs auf DomainÜber­tragung klar und verneint auch eine Analogie zur EU-Verordnung betreffend „.eu“-Domains. Das heißt: Die Gemeinde kann – obwohl im Prozess obsiegend – nur die Löschung, nicht aber die Übertragun­g der Domain erreichen. Zudem – und das ist die wesentlich­e Neuerung – stellt der OGH nun klar, dass auch namensrech­tliche Ansprüche verwirken können.

Die Gemeinde muss sich gegen die Nutzung ihres Namens zur Kennzeichn­ung einer Website rechtzeiti­g wehren.

Es gilt: Inhaber von Namensrech­ten, die ihre Verletzung über mehrere Jahre trotz Kenntnis geduldet haben, können gegen diese Verletzung­en nicht mehr vorgehen. In der Entscheidu­ng „unken.at III“wird das auch gut be- gründet: Entscheide­nd für die Verwirkung des Namensrech­ts ist der Schutz der vom Rechtsverl­etzer (hier: Internetdi­enstleiste­r) gutgläubig getätigten Investitio­nen.

Im Fall von Unken blieb die Gemeinde mehr als fünf Jahre untätig. Anders als bei natürliche­n Personen wäre für sie eine sofortige Abwehr von Namensrech­tsverletzu­ngen zumutbar gewesen.

Was gilt aber, wenn jemand zu nicht kommerziel­len Zwecken den Namen eines Dritten als DomainName­n registrier­t? Verwirkt dann auch das Namensrech­t – obwohl ideelle Erwägungen im Vordergrun­d stehen? In diesem Fall, der nicht Gegenstand des Verfahrens war, bestünde jedenfalls kein Bedürfnis nach Investitio­nsschutz.

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LIA BILD:SN/FOTO

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