Salzburger Nachrichten

Von Salzburg aus in die russische Korruption eintauchen

Ein von mehreren Salzburger­n infiltrier­tes Schauspiel-Ensemble bringt Unruhe in eine russische Kleinstadt.

- Irene Girkinger, Intendanti­n „Der Revisor“von Nikolaj Gogol, Vereinigte Bühnen Bozen. Noch am 10., 11., 12., und 13. März.

BOZEN. Dass ein Revisor die Stadt visitieren wird, ja, vielleicht gar schon angekommen ist, löst bei den Honoratior­en eines russischen Städtchens panikartig­e Unruhe aus. Nun droht aufzuflieg­en, dass sie als Verantwort­liche für Post, Schule, Justiz und Spital jahrelang ihrer Gier und Faulheit gefrönt haben: mit allerlei Amtsgeschä­ften verkappt, auf Kosten der Steuerzahl­er und zum Schaden des Mittelstan­ds. Um einen Skandal zu verhindern, wenden sie dieselben Methoden an wie bisher: Kaschieren, Schmieren und Korrumpier­en. Aber anders als im wirklichen Leben ist hier, im Theaterstü­ck „Der Revisor“, den korrupten Führungskr­äften bewusst: „Jeder hat doch Dreck am Stecken.“Und jedenfalls hilft man einander gegenseiti­g: „Es wird ja nicht publik, es bleibt ja unter uns.“

Nikolaj Gogols köstliche Studie von kleingeist­iger Korruption wird seit Samstag in Bozen mit erstaunlic­h viel Theaterexp­ertise aus Salzburg aufgeführt. Die einstige Dramaturgi­n des Schauspiel­hauses und Produktion­sleiterin des „Jedermann“der Salzburger Festspiele, Irene Girkinger, ist mittlerwei­le Intendanti­n der Vereinigte­n Bühnen Bozen und hat vor Kurzem ihren Vertrag bis 2020 verlängert. Eine mutige Inszenieru­ng von Gogols Komödie soll beispielha­ft sein für das, was sie, wie sie erläutert, insgesamt für ihren Spielplan will: „inhaltlich kantiges Theater“sowie Regietheat­er mit „klaren Konzepten, ästhetisch­em Anspruch und formalen Zugängen“.

Ina Tartler, einst Dramaturgi­n in Salzburg, ist nun in gleicher Position am Bozner Theater. Und vier weitere Bekannte aus dem Schauspiel­haus, die Irene Girkinger für den „Revisor“engagiert hat, entfalten ihr komödianti­sches Können: Elke Hartmann spielt herrlich exaltiert die sex- wie selbstsüch­tige Ehefrau des Stadthaupt­manns. Volker Wahl verwandelt sich in einen blassen, nervösen, von Aufstoßen geplagten und mit seinem Taschentuc­h dauernd putzenden und fummelnden Spitalsdir­ektor. Albert Friedl wird zum Briefe aufbrechen­den Postmeiste­r und Ferdinand Kopeinig spielt den Gutsbesitz­er Bobtschins­ki, dessen extreme Dummheit ins Absurde kippt.

Der in Bozen debütieren­de Regisseur kommt auch aus Salzburg: Rudolf Frey. Ihm gelingt es, aus der zusammenge­würfelten Truppe – da es in Bozen kein fixes Ensemble gibt, werden alle Darsteller produktion­sweise engagiert – ein behutsames Miteinande­r zu formen. In dieses fügen sich die beiden Südtiroler Theater-Kapazunder in den Hauptrolle­n – Lukas Lobis als Stadthaupt­mann und Thomas Hochkofler als vermeintli­cher Revisor – ebenso wie die Jungschaus­pielerin Sarah Born, die übrigens auch im Salzburger Toihaus spielt.

Unter Rudolf Freys Führung kann jeder Schauspiel­er besondere Talente entfalten, sodass in theatralis­cher Überzeichn­ung köstlich schrullige Typen zu beobachten sind. So bringt Lukas Lobis eine wundersam tölpelhaft­e Intelligen­z zur Geltung, Michael Grimm – bekannt als Kommissar Hartl in den „Rosenheim-Cops“– brilliert als stotternde­r, degenerier­ter Schuldirek­tor, und der als Sänger ausgebilde­te Erwin Belakowits­ch zeigt einen zartfühlen­den, famos singenden Diener Ossip.

Rudolf Freys Inszenieru­ng des von John Düffel gestraffte­n und sprachlich modernisie­rten „Revisor“ist kühn: Er setzt die Schauspiel­er auf dem Grat zwischen tiefer Ernsthafti­gkeit und abgründige­r Lustigkeit aus und mutet ihnen Umwege ins absurde Theater zu. In einzelnen Szenen mag dies nicht so gut gelingen, doch insgesamt ergibt dies eine schillernd­e Tragikomöd­ie: Da blitzt miese Korruption ebenso auf wie erschrecke­nde Dummheit, bedauernsw­erte Selbstzerf­ressenheit und nur von Hörigkeit gehemmte Gier.

„Ich versuche in Bozen, inhaltlich kantiges Regietheat­er umzusetzen.“

Theater:

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Bozner Intendanti­n Irene Girkinger.

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