Von Salzburg aus in die russische Korruption eintauchen
Ein von mehreren Salzburgern infiltriertes Schauspiel-Ensemble bringt Unruhe in eine russische Kleinstadt.
BOZEN. Dass ein Revisor die Stadt visitieren wird, ja, vielleicht gar schon angekommen ist, löst bei den Honoratioren eines russischen Städtchens panikartige Unruhe aus. Nun droht aufzufliegen, dass sie als Verantwortliche für Post, Schule, Justiz und Spital jahrelang ihrer Gier und Faulheit gefrönt haben: mit allerlei Amtsgeschäften verkappt, auf Kosten der Steuerzahler und zum Schaden des Mittelstands. Um einen Skandal zu verhindern, wenden sie dieselben Methoden an wie bisher: Kaschieren, Schmieren und Korrumpieren. Aber anders als im wirklichen Leben ist hier, im Theaterstück „Der Revisor“, den korrupten Führungskräften bewusst: „Jeder hat doch Dreck am Stecken.“Und jedenfalls hilft man einander gegenseitig: „Es wird ja nicht publik, es bleibt ja unter uns.“
Nikolaj Gogols köstliche Studie von kleingeistiger Korruption wird seit Samstag in Bozen mit erstaunlich viel Theaterexpertise aus Salzburg aufgeführt. Die einstige Dramaturgin des Schauspielhauses und Produktionsleiterin des „Jedermann“der Salzburger Festspiele, Irene Girkinger, ist mittlerweile Intendantin der Vereinigten Bühnen Bozen und hat vor Kurzem ihren Vertrag bis 2020 verlängert. Eine mutige Inszenierung von Gogols Komödie soll beispielhaft sein für das, was sie, wie sie erläutert, insgesamt für ihren Spielplan will: „inhaltlich kantiges Theater“sowie Regietheater mit „klaren Konzepten, ästhetischem Anspruch und formalen Zugängen“.
Ina Tartler, einst Dramaturgin in Salzburg, ist nun in gleicher Position am Bozner Theater. Und vier weitere Bekannte aus dem Schauspielhaus, die Irene Girkinger für den „Revisor“engagiert hat, entfalten ihr komödiantisches Können: Elke Hartmann spielt herrlich exaltiert die sex- wie selbstsüchtige Ehefrau des Stadthauptmanns. Volker Wahl verwandelt sich in einen blassen, nervösen, von Aufstoßen geplagten und mit seinem Taschentuch dauernd putzenden und fummelnden Spitalsdirektor. Albert Friedl wird zum Briefe aufbrechenden Postmeister und Ferdinand Kopeinig spielt den Gutsbesitzer Bobtschinski, dessen extreme Dummheit ins Absurde kippt.
Der in Bozen debütierende Regisseur kommt auch aus Salzburg: Rudolf Frey. Ihm gelingt es, aus der zusammengewürfelten Truppe – da es in Bozen kein fixes Ensemble gibt, werden alle Darsteller produktionsweise engagiert – ein behutsames Miteinander zu formen. In dieses fügen sich die beiden Südtiroler Theater-Kapazunder in den Hauptrollen – Lukas Lobis als Stadthauptmann und Thomas Hochkofler als vermeintlicher Revisor – ebenso wie die Jungschauspielerin Sarah Born, die übrigens auch im Salzburger Toihaus spielt.
Unter Rudolf Freys Führung kann jeder Schauspieler besondere Talente entfalten, sodass in theatralischer Überzeichnung köstlich schrullige Typen zu beobachten sind. So bringt Lukas Lobis eine wundersam tölpelhafte Intelligenz zur Geltung, Michael Grimm – bekannt als Kommissar Hartl in den „Rosenheim-Cops“– brilliert als stotternder, degenerierter Schuldirektor, und der als Sänger ausgebildete Erwin Belakowitsch zeigt einen zartfühlenden, famos singenden Diener Ossip.
Rudolf Freys Inszenierung des von John Düffel gestrafften und sprachlich modernisierten „Revisor“ist kühn: Er setzt die Schauspieler auf dem Grat zwischen tiefer Ernsthaftigkeit und abgründiger Lustigkeit aus und mutet ihnen Umwege ins absurde Theater zu. In einzelnen Szenen mag dies nicht so gut gelingen, doch insgesamt ergibt dies eine schillernde Tragikomödie: Da blitzt miese Korruption ebenso auf wie erschreckende Dummheit, bedauernswerte Selbstzerfressenheit und nur von Hörigkeit gehemmte Gier.
„Ich versuche in Bozen, inhaltlich kantiges Regietheater umzusetzen.“
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