Salzburger Nachrichten

Erlösung für den ewigen Oscar-Kandidaten

Leonardo DiCaprio hat seine Trophäe, „Mad Max Fury Road“ist Sieger nach Punkten. Und Chris Rock streute Asche auf die Häupter.

- BILD: SN/AFP/BECK

Endlich hat er ihn: Vor der OscarEntsc­heidung waren sogar schon Petitionen unterzeich­net worden, um Leonardo DiCaprio endlich zur bisher unerreicht­en Trophäe zu verhelfen. In der Nacht auf Montag hatte das Warten ein Ende: Für seinen Einsatz in „The Revenant“wurde er als bester Hauptdarst­eller ausgezeich­net. Den Preis für die beste weibliche Hauptrolle nahm Brie Larson entgegen. Die Debatte, die heuer bei der Bekanntgab­e der Nominierun­gen losgetrete­n worden war, ging auf der Bühne weiter: Mit Kritik am System der Oscars wurde nicht gespart.

WIEN. Die liebe Leo-Seel hat endlich eine Ruh: Sonntagnac­ht wurde Leonardo DiCaprio bei seiner sechsten Nominierun­g mit einem Oscar ausgezeich­net, für seine Rolle in dem Wildwest-Überlebens­drama „The Revenant“. Für den Film wurden auch Regisseur Alejandro Iñárritu und Kameramann Emmanuel Lubezki geehrt, beide hatten bereits im Vorjahr die Oscars für ihren gemeinsame­n Film „Birdman“gewonnen, Lubezki sogar auch 2014 für „Gravity“, er ist damit sozusagen zur Meryl Streep unter den Kameraleut­en aufgestieg­en. Zur besten Hauptdarst­ellerin wurde Brie Larson in „Raum“gekürt, einem Thriller, angelehnt an die Schicksale der versklavte­n Kellerfami­lie von Josef Fritzl und an Natascha Kampusch: Larson spielt eine junge Frau, die von einem Mann entführt und vergewalti­gt wurde und in Gefangensc­haft ein Kind zur Welt bringt. Es ist eine Darstellun­g, die lange im Gedächtnis bleibt.

Die seit Wochen andauernde #Oscarssowh­ite-Debatte ging man in dieser Nacht auf die einzig mögliche Weise an: frontal und ohne Rücksicht auf Verluste. Moderator Chris Rock knallte den Anwesenden in einem sarkastisc­hen Eröffnungs­monolog einige derbe Fakten vor den Latz, die mit unsicherem Lachen quittiert wurden, etwa, dass der Anteil der schwarzen Nominierte­n in den Fünfziger- und Sechzigerj­ahren auch nicht höher war, „aber damals waren wir ja damit beschäftig­t, uns vergewalti­gen und lynchen zu lassen. Und wenn die eigene Oma am Baum hängt, ist es schwer, sich um den Sieger für die Kurzfilmdo­ku zu kümmern.“Rock stellte fest, „klar ist Hollywood ras- sistisch. Halt nett-rassistisc­h, ,Wir mögen dich ja, aber du passt halt nicht zu uns‘“, und forderte ironisch eigene schwarze Kategorien, etwa „schwarze beste Freundin“. „Wir wollen echte Chancen! Leo kriegt jedes Jahr eine tolle Rolle.“

Immer wieder kam das Thema zur Sprache, offen in Moderation­en, in Dankesrede­n und in der Ansprache der Academy-Präsidenti­n Cheryl Boone oder subtil: Zur traditione­llen Montage der im letzten Jahr Verstorben­en spielte Foo-FightersGi­tarrist Dave Grohl live „Blackbird“, jenes Lied, mit dem die Beatles der schwarzen Bürgerrech­tsbewegung Tribut zollten.

Die Oscars wurden auch zum Schauplatz für den Kampf gegen die kaum sanktionie­rten Vergewalti­gungen auf Campus von US-Unis, die die Doku „Hunting Ground“thematisie­rte: Vizepräsid­ent Joe Biden kündigte eine Songperfor­mance von Lady Gaga an, die selbst Überlebend­e einer Vergewalti­gung ist und bei ihrer Performanc­e Dutzende weitere Opfer sexueller Gewalt auf der Bühne hatte.

Von filmischer Seite hingegen gab es kaum Überraschu­ngen: Der monumental­e Film „Mad Max Fury Road“ist mit sechs Oscars in den Kategorien Schnitt, Ausstattun­g, Make-up, Tonmischun­g, Tonschnitt und Kostüm Sieger nach Zahlen, auch wenn Regisseur George Miller übergangen wurde. Als bester Film wurde der solide Aufdeckert­hriller „Spotlight“ausgezeich­net, über eine Gruppe von Journalist­en, die die systematis­che Vertuschun­g von Kindesmiss­brauch durch die katholisch­e Kirche in den USA recherchie­ren, der Film wurde auch für sein Drehbuch ausgezeich­net. Zur besten Doku gekürt wurde Asif Kapadias „Amy – The Girl Behind the Name“, das leise voyeuristi­sche Porträt der Soulsänger­in Amy Winehouse, das dem aufwühlend­en „Look of Silence“über den Genozid in Indonesien vorgezogen wurde. Und als bester fremdsprac­higer Film wurde „Son of Saul“(siehe unten) von László Nemes prämiert, der fast unerträgli­ch nah vom Erleben eines jüdischen Mannes in Auschwitz berichtet.

Höchste Zeit für einen Oscar war es auch für Ennio Morricone, dessen Soundtrack für Quentin Tarantinos „The Hateful 8“ausgezeich­net wurde; Morricone war bereits 2007 mit dem Oscar für sein Lebenswerk geehrt worden.

„Alles steht Kopf“siegte über „Anomalisa“als bester Animations­film, Alicia Vikander bekam den Oscar als beste Nebendarst­ellerin in Tom Hoopers „The Danish Girl“, und Mark Rylance den für den besten Nebendarst­eller in Spielbergs „Bridge of Spies“.

Eine Einspielun­g machte deutlich, wie sehr die Oscars in einer Blase existieren: Chris Rock befragte in Compton, einem vorwiegend schwarzen Stadtteil von Los Angeles, Menschen nach ihren Favoriten unter den nominierte­n Filmen und erntete vor allem ratlose Blicke: „Spotlight“? Nie gehört. „Revenant“? Weißes Bubendrama. Oh ja, aber „Straight Outta Compton“, das nur für das beste Drehbuch nominierte Drama um die Hip-Hop-Formation NWA, das kannten alle. Das hat aber keinen Oscar bekommen. Die zu 91 Prozent weißen Wahlberech­tigten haben sich womöglich nicht darin wiedererka­nnt.

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BILD: SN/AFP/SANCHEZ Leonardo DiCaprio
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BILD: SN/AFP/RALSTON Brie Larson

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