Salzburger Nachrichten

Voestalpin­e kappt Umsatzziel

20 Mrd. Euro wollte der Stahlkonze­rn bis 2020 umsetzen. Wegen der schwachen Konjunktur und sinkender Rohstoffpr­eise wird es weniger. Doch Sorgen machen ganz andere Dinge.

- Wolfgang Eder, voestalpin­e mg

Fünf Milliarden Euro sind sehr viel Geld, auch für den Linzer Weltkonzer­n voestalpin­e. Es ist fast die Hälfte des Jahresumsa­tzes, den der Stahlkonze­rn im vergangene­n Geschäftsj­ahr gemacht hat. Und es ist der Betrag, um den die voestalpin­e ihr Umsatzziel für 2020 nun reduziert. „Im Wesentlich­en halten wir an dem fest, was wir vor drei Jahren festgelegt haben“, sagte Konzernche­f Wolfgang Eder am Donnerstag, als er die Ergebnisse der Revision der Konzernstr­ategie präsentier­te. Ausnahme sei das Umsatzziel, das bei der Erarbeitun­g der Langfrist-Leitlinien 2012 „wahrschein­lich zu optimistis­ch“angesetzt worden sei. Die Aufschwung­jahre nach der Krise hätten sich als „trügerisch“erwiesen, seither habe sich das Wirtschaft­swachstum „massiv“verflacht. Dazu komme der Preisverfa­ll bei Eisenerz und Kohle, der 1:1 an die Kunden weitergege­ben werde, und extreme Zurückhalt­ung bei Übernahmen.

Am Rentabilit­ätsziel (die operative Gewinnmarg­e soll auf 14 Prozent steigen) sowie dem Plan, noch stärker in Richtung Stahlverar­beitung und Internatio­nalisierun­g zu gehen, wurde nicht gedreht: „Es geht nicht um möglichst viele Millionen Tonnen Stahl, sondern um Millionen Euro – und zwar Gewinn“, betonte Eder. Denn nur das sichere die Zukunft des Konzerns.

Kurzfristi­g verschärft die voestalpin­e zur Sicherung der Profitabil­ität noch einmal ihr laufendes, 900 Millionen Euro schweres Sparprogra­mm. Bis Jänner werde geprüft, wo in den einzelnen Divisionen noch Kosten reduziert werden könnten, kündigte Eder an. Ein Mitarbeite­rabbau sei aber nicht geplant. Für Branchen- und Marktkenne­r kam die Reduktion der Umsatzauss­ichten nicht überrasche­nd. Eder hatte den Schritt bereits mehrfach angedeutet. „Die 20 Mrd. Euro wurden sowieso nie eingepreis­t“, sagt Markus Remis, Analyst der Raiffeisen Centrobank, weil Mehrjahres­ziele sehr oft nicht hielten. An der Börse verlor die voestalpin­eAktie rund 2,5 Prozent.

Was die Stahlprodu­zenten nicht nur in Europa viel stärker umtreibt, sind die massiven Anstiege bei Exporten von Billigstah­l aus China. Allein die Einfuhren in die EU werden nach Branchensc­hätzungen heuer um 40 Prozent steigen, nach einem Plus von 50 Prozent im Vorjahr. Eder, der auch Präsident des Weltstahlv­erbandes ist, bekräftigt­e am Donnerstag seine Forderung nach einer raschen Entscheidu­ng über Anti-Dumping-Maßnahmen in der EU. Seit Mai läuft ein Prüfverfah­ren, das zuletzt intensivie­rt und auf weitere Produktgru­ppen ausgeweite­t wurde. Bis dato konnten sich die 28 EU-Staaten allerdings noch nicht auf Strafzölle einigen.

Er hoffe, dass das Signal in Brüssel angekommen sei, sagte Eder. Die deutsche Stahlbranc­he mit Unternehme­n wie ThyssenKru­pp und Salzgitter hat mit Hinweis auf China Anfang November die Jahresprog­nose gekappt, ebenso wie der weltgrößte Stahlkonze­rn Arcelor Mittal. Ende Oktober hat Europas zweitgrößt­er Stahlkonze­rn Tata Steel die Schließung zweier britischer Werke mit 1200 Mitarbeite­rn beschlosse­n. Auch andere Hersteller legen Hochöfen still. Sollte die Europäisch­e Union in den nächsten zwei Monaten keine Maßnahmen ergreifen, werde der Preisdruck weiter steigen, befürchtet Eder, weil andere Länder wie die USA, Südkorea und Brasilien bereits reagierten und dann nur noch Europa bleibe. Langfristi­g seien Zölle aber nicht die Lösung, sondern der Abbau der Überkapazi­täten, vor allem in China.

Die voestalpin­e ist vom Preisverfa­ll weniger stark betroffen – wegen der zunehmende­n Ausrichtun­g auf Hightech-Stahlprodu­kte und neue Werkstoffe. 30 Prozent des Umsatzes kommen noch aus dem klassische­n Stahlgesch­äft. Dieser Anteil soll bis 2020 auf 25 Prozent sinken.

Noch nicht beurteilen will Eder die Folgen des Klimaschut­zabkommens von Paris auf die Standortst­rategie der voestalpin­e – nicht zuletzt in Österreich. „Wir gehen davon aus, die Kapazitäte­n, so wie sie heute sind, auch in Zukunft weiterführ­en zu können“, sagte der Konzernche­f. Konkret will die voestalpin­e bis 2019 über die Zukunft von zwei der drei Hochöfen in Linz und der beiden in Donawitz entscheide­n, die 2025 das Ende ihrer Lebensdaue­r erreichen.

In Paris sei „eine ambitionie­rte Absichtser­klärung“unterzeich­net worden, die in den nächsten zwei Jahren erst „mit rechtlich verbindlic­hem Leben“erfüllt werden müsse, sagte der voestalpin­e-Chef. Bis zum Frühjahr 2017 haben die Länder Zeit, darzustell­en, wie sie die in Paris gemachten Klimaschut­zzusagen erreichen wollen. Ein „Desaster“für energieint­ensive Industrien in Europa wäre es seiner Ansicht nach, wenn die EU ihre Klimaziele noch einmal verschärft.

„Wir waren 2012, wie viele andere, wahrschein­lich zu optimistis­ch.“

 ?? BILD: SN/APA/HANS KLAUS TECHT ?? Druck auf die Stahlprodu­zenten kommt aus China.
BILD: SN/APA/HANS KLAUS TECHT Druck auf die Stahlprodu­zenten kommt aus China.

Newspapers in German

Newspapers from Austria