Syrien dürstet nach Wasser
Allein in der syrischen Stadt Aleppo sind insgesamt 18 Leitungen vorsätzlich gekappt worden. Das Völkerrecht verbietet ein solches Vorgehen.
DAMASKUS. In Syrien zwingt die Zerstörung der Wasserinfrastruktur durch die Bürgerkriegsparteien viele Menschen dazu, auf der Suche nach Wasser ihr Leben aufs Spiel zu setzen oder immer weitere Strecken zurückzulegen. Und sind die Betroffenen am Ziel, fehlt es oft an der Kraft, um die gefüllten Kanister zu ihren Familien zu bringen. Vor allem Kinder, die häufig zum Wasserholen losgeschickt werden, sind mit der Aufgabe hoffnungslos überfordert. So berichtete unlängst ein Ingenieur des Kinderhilfswerks UNICEF von einem Mädchen, das nach stundenlanger Suche endlich einen funktionierenden Wasserhahn fand, dann aber in Tränen ausbrach, weil es zu erschöpft war, um den langen Rückweg mit dem schweren Kanister anzutreten. Angesichts einer Hitzewelle und Temperaturen von 40 Grad Celsius hat der Wassermangel in Syrien ein kritisches Ausmaß erreicht.
In einer Pressemitteilung vom 26. August forderte UNICEF die kämpfenden Gruppierungen auf, unverzüglich die systematische Vernichtung der Wasserleitungen einzustellen. Allein in Aleppo waren insgesamt 18 Leitungen gekappt worden.
Das Völkerrecht verbietet eine solche Vorgehensweise, die das ohnehin schwere Los der Millionen Zivilisten, die seit Jahren unter dem Bürgerkrieg leiden, weiter verschärft. „Ob in Syrien oder anderswo – der Zugang zu sauberem Wasser ist nicht nur eine Notwendigkeit, sondern auch ein fundamentales Recht“, meinte Peter Salama, UNICEF-Direktor für die Region Nordafrika und Nahost. „Den Wasserzugang zu verweigern ist ein Verstoß gegen das Kriegsrecht, der sofort aufhören muss.“
In einigen Gemeinden sind die Wasserleitungen seit 17 Tagen, in anderen seit mehr als einem Monat trocken. In Städten wie Aleppo, Damaskus und Daraa sehen sich die Familien gezwungen, ihren Durst mit ungereinigtem Grundwasser zu stillen und sich somit der Gefahr einer Typhusinfektion und Durchfallerkrankung auszusetzen.
Wasserknappheit und wachsender Bedarf haben die Wasserpreise zudem enorm ansteigen lassen. Im Zuge der Bodenkämpfe und Luftangriffe wurden Pumpstationen und Leitungen vernichtet. Reparaturen sind wegen der anhaltenden Kämpfe unmöglich. Hinzu kommt das Problem häufiger Stromunterbrechungen, die Techniker und Ingenieure daran hindern, das Wasser in die Wohngebiete zu pumpen.
UNICEF hat Wasserwagen losgeschickt, um die 500.000 Menschen zu versorgen, die noch in Aleppo ausharren. Außerdem hat die UNOrganisation 95 Brunnen für 470.000 Menschen instand gesetzt. 300.000 Liter Benzin wurden ausgegeben, um die Wasserpumpsysteme in Aleppo und Damaskus in Gang zu halten. In beiden Städten zusammen leiden knapp fünf Millionen unter Wassermangel. In Daraa sind 250.000 Bewohner mit Wasser unterversorgt.